Freitag, 22. Dezember 2006

anytime



kostenloser Counter



Freunde...heißt die Betreffzeile einer Mail, die ich soeben bekam und statt einem künstlich gezüchteten Weihnachtsrummel trifft es das auch viel eher. Freunde sind mir in diesem Jahr um einiges näher gekommen, haben Familie ersetzt, mir beigestanden, mir die Gelegenheit gegeben, mich als Freundin zu erweisen.
Das würde ein rührseliger Text, umso mehr, als ich HERBSTSONATE von Ingmar Bergman gesehen habe, also belasse ich es bei einem dedicated2friends....ist eh schon wieder so spät, so früh.
Thanxx2HamburgDanmarkBerlinBremenStuttgartinnercircleand Aceh

„taz, 23.12.06

brennpunkt

EIN NEUES LEBEN NACH DEM TSUNAMI

Beim Wiederaufbau zwei Jahre nach der Tsunami-Katastrophe im Indischen
Ozean ist nach Einschätzung des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen
Unicef "allenfalls Halbzeit" erreicht. Die Arbeiten in den betroffenen
Ländern in der Region gehen sehr unterschiedlich schnell voran


Zurück nach Hause gibt es nicht

Im indonesischen Bezirk Aceh Besar versuchen Tsunami-Flüchtlinge seit
zwei Jahren ein neues Leben aufzubauen. Sie brauchen weiterhin Hilfe

AUS JANTHO NICOLA GLASS

Aus dem Kassettenrekorder quäkt Musik. Die Luft ist heiß und stickig.
Auf einer Bank sitzen mehrere Frauen in der Sonne. Daneben ein
Verkaufsstand, ein schmaler Holzverschlag. Hier bieten die Frauen
Süßigkeiten, Chips und Nüsse an. Sie wollen, sagen sie, ein ganz
normales Leben führen - zumindest versuchen sie es. Schräg gegenüber
führt ein schmaler Pfad nach links, in eine Reihe dicht
beieinanderstehender Häuser aus Pinienholz: Vorläufige Unterkünfte für
ein paar hundert Familien. Vor fast jedem Haus hängen Blumenkästen. Ein
Bewohner hat Wein angepflanzt, die Ranken reichen schon bis über das Dach.

In einem der Eingänge steht Nurbaiti, 22 Jahre alt, schmal mit
lächelnden, dunklen Augen. "Willkommen!", sagt sie. Ihre Freundinnen
haben sich in dem kleinen Vorraum, der gleichzeitig Wohnzimmer ist,
versammelt. Wardiah und Kalisma hat Nurbaiti hier kennengelernt. Die
Frauen teilen das gleiche Schicksal: Sie leben weiter mit den Schrecken
des verheerenden Tsunami, der am Morgen des 26. Dezember 2004 über die
Anrainerstaaten des Indischen Ozeans hereinbrach und vor allem die
Provinz Aceh verwüstet hatte.

Gestrandet sind sie alle hier, in Jantho, im Distrikt Aceh Besar, gut
anderthalb Autostunden von der Provinzhauptstadt Banda Aceh. Nahezu alle
Bewohner in Jantho haben durch den Tsunami Familie und Freunde verloren.
Nach der Vergangenheit befragt, schweigen sie, wenden den Kopf ab. Eine
verhüllt ihr Gesicht, als jemand erzählt, dass sie drei von fünf Kindern
bei der Flutwelle verloren hat. Sie können und wollen nicht darüber
sprechen.

Die Hilfsorganisation Care versucht den Menschen über ihre Verluste
hinweg zu helfen. Es gibt hier ein Radioprogramm, in dem Features über
das Leben nach der Flut erzählt werden - zum Mutmachen und Durchhalten.
Auch treffen sich die Frauen zu Näh- und Schneiderinnenkursen. Sie
erlernen nicht nur das Handwerk, sondern können sich mit Gleichgesinnten
austauschen, die dasselbe Trauma immer noch und immer wieder durchleben.
Nurbaiti sagt: "Ich bin froh, in diesem Programm mitzuarbeiten. Nach nur
wenigen Monaten weiß ich, wie man ein Kleid näht oder Stoffe
zuschneidet." Keinesfalls will die 22-Jährige, die hier ihren Mann
kennengelernt hat, nur zu Hause sitzen. Immer noch sei sie traurig, wenn
sie an die Vergangenheit denke: "Hier kann ich mit den anderen Frauen
reden. Das macht es mir leichter."

Froh darüber, nicht untätig herumsitzen zu müssen, ist auch Kalisma.
Dadurch, sagt die 32-Jährige mit den dunklen Locken, könne sie ihren
Mann unterstützen. "Und wir teilen hier unsere Gefühle, über den Tsunami
und unsere Familien." In Jantho hat Care, zusammen mit den Mitgliedern
der örtlichen Gemeinde, Unterkünfte gebaut. Die Materialien stammen vom
Roten Kreuz, Unterstützung kommt unter anderem aus Österreich und
Deutschland. In der Nähe entstehen gerade feste Behausungen für rund 260
Familien.

Was die Zukunft bringt, wissen die Menschen nicht. Die gewaltige
Flutwelle hat sie alle aus ihrem alten Leben gerissen. Ein neues
aufzubauen, ist schwer, vor allem in einer neuen Umgebung, einer neuen
Gemeinschaft. Trotzdem versuchen sie es mit aller Kraft. So wie Ahmad
Bahlu, der Fischer und Kleinbauer von Beruf ist. Der 55-Jährige lebte
auf Pulo Aceh, einer Inselgruppe an der westlichen Küste. Dort hatte der
Tsunami mit als Erstes und am heftigsten zugeschlagen. Mit Schaudern
erinnert sich Ahmad an die bis zu 25 Meter hohen Wellen.

Seine Augen bekommen einen sehnsüchtigen Ausdruck: Eine kleine Insel sei
seine alte Heimat gewesen, ganz umgeben vom Meer. Jantho ist ganz
anders: Ein Hochland, in dem vor allem Landwirtschaft betrieben wird.
"So weit weg von der See", sagt Ahmad. Er ist immer noch dabei, sich
einzugewöhnen. Es sei insofern schwer, weil er kein eigenes Stück Land
habe. "Ich kann mich in die neue Gemeinschaft einfügen, aber ich brauche
eigenes Land." Er hat ausgerechnet, dass er zum Lebensunterhalt
mindestens einen Hektar benötigt.

Ähnlich sieht das für Hamdani Umar aus. Seit er zwölf Jahre alt war,
erzählt der 50-Jährige mit der Baseballkappe, sei er Fischer gewesen,
wie sein Vater, wie seine ganze Familie es seit Generationen war.
Traurig sei er gewesen, als er umziehen musste, in die neue Umgebung, wo
er niemanden kannte. Auch er ist hin- und hergerissen zwischen Sehnsucht
und Angst: Die See vermisse er nicht, sagt Hamdani Umar, er habe Angst
davor, das Wasser wiederzusehen. Und doch kann er seine Heimat Pulo Nasi
nicht vergessen. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Sein Haus wurde von der
Flutwelle weggespült, das Land überflutet. Ganze Küstenlinien haben sich
seit dem schweren Seebeben vor zwei Jahren verschoben, manche
Landstriche sind immer noch unter Wasser. "Es gibt nichts mehr, zu dem
ich zurückkehren könnte", sagt Hamdani leise. Wie Ahmad hofft auch er
auf ein eigenes Stück Land, das er bewirtschaften kann.

Viele Hilfsorganisationen in Aceh bieten Kurse zur Aus- und
Weiterbildung, zur psychosozialen Betreuung und zur Wiedereingliederung
an. Care ist zudem dabei, ein Projekt zu starten, in dem die Acehnesen
Pläne für ihr eigenes kleines Business vorstellen können. Dafür soll es
dann finanzielle Zuschüsse geben. Die 22jährige Nurbaiti würde sich
jedenfalls freuen: "Ich möchte gern einen kleinen Laden aufmachen",
kündigt sie an. Momentan könne sie sich die Materialien dafür noch nicht
leisten, aber sie hofft darauf, möglichst bald das Geld und die
Möglichkeit dazu zu haben. Wie Nurbaiti wollen die Menschen in Aceh ihr
Leben nach der Flut endlich wieder in die eigenen Hände nehmen und nicht
dauernd auf fremde Hilfe angewiesen sein - so dankbar sie auch für die
Unterstützung sind.

Doch die ist längst nicht überall angekommen. Trotz weltweit gesammelter
Milliardenspenden beklagen Bewohner in den vom Tsunami betroffenen
Ländern, dass sie zwei Jahre nach der Katastrophe weiterhin leer
ausgehen. Die in Aceh ansässige Organisation Anti-Corruption-Movement
monierte vor kurzem, dass generell zwischen 30 und 40 Prozent aller
Hilfsgelder für andere Zwecke missbraucht worden seien. Nach Angaben der
internationalen Organisation Oxfam warten mehr als 25.000 arme und
landlose Familien in Aceh immer noch auf feste Unterkünfte. Eines der
größten Probleme dabei seien die nach wie vor ungeklärten Landrechte.
Durch die Flut sind die meisten Ausweise und schriftlichen Landnachweise
verloren gegangen. Viele Menschen können den Anspruch auf ihren Besitz
nicht mehr beweisen.

Alle vom Tsunami Betroffenen wollen nur eines: ein neues Leben nach der
Flut aufbauen. Egal wo, sagen die meisten mittlerweile. Auch der
ehemalige Fischer und Kleinbauer Ahmad Bahlu. Er hat akzeptiert, dass es
keine Rückkehr mehr gibt: "Jantho ist ein Gebiet für Umsiedler", sagt
er, nach Pulo Aceh zurückzugehen sei unmöglich. "Wenn man einen Ort für
mehr als ein Jahr verlässt, dann gehört man nicht mehr dorthin. Und wir
haben uns nun hier angesiedelt."

---

Eine gemischte Bilanz der Tsunami-Hilfe

Thailand und Indien haben den Wiederaufbau fast beendet, in Aceh dauert
er an. In Sri Lanka verhindern Kämpfe Hilfe

BERLIN taz Zwei Jahre nach dem Tsunami im Indischen Ozean, der
mindestens 230.000 Menschenleben forderte, fällt die Wiederaufbau-Bilanz
der großen Hilfswerke unterschiedlich aus. In Thailand, wo 5.400
Menschen durch den Tsunami starben - die Hälfte davon ausländische
Touristen - ist der Wiederaufbau weitestgehend abgeschlossen. Auch im
Süden Indiens, wo 18.000 Menschen ums Leben kamen, wurden inzwischen
28.000 Häuser und 270 Schulen wieder aufgebaut. Die indonesische Provinz
Aceh war mit 170.000 Todesopfern am schwersten betroffen.

Die Kosten für den Wiederaufbaus werden auf 4,6 Milliarden Euro
geschätzt. Deutschland ist mit bilateralen Hilfszusagen in Höhe von 185
Millionen Euro unter den fünf größten Geberländern. In Aceh engagieren
sich die meisten Hilfswerke langfristig. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK),
das nach dem Tsunami mit fast 125 Millionen Euro die höchste Summe
privater Spenden in Deutschland erhielt, will bis 2010 vor Ort bleiben.
44,6 Millionen Euro setzt das DRK für Soforthilfe, Wiederaufbau und
Katstrophenschutz in Indonesien ein. Die Deutsche Welthungerhilfe (DWHH)
plant, bis 2009 unter anderem beim Hausbau und bei der
Trinkwasserversorgung aktiv zu bleiben. Das Hilfswerk hatte 46,5
Millionen Euro Spenden eingenommen. 15 Millionen davon sind für Aceh
eingeplant.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zieht eine
positive Bilanz des bisher geleisteten Wiederaufbaus. Dass in der
Provinz wieder Frieden herrsche, sei auch den vielen Spendern zu
verdanken, so Wieczorek-Zeul in der vergangenen Woche nach einem Besuch
in Aceh. Das katholische Hilfswerk Caritas warnt hingegen vor einem zu
frühen Rückzug aus der Tsunami-Hilfe. "Die Verteilung von Booten und der
Bau von Häusern ist nur eine Hälfte der Hilfe", so der Leiter von
Caritas International, Oliver Müller. Caritas Deutschland hat 52,1
Millionen Euro an Tsunami-Spenden verbucht. 7,25 Millionen Euro wurden
in Indonesien ausgegeben, für 2007 bis 2010 sind weitere 4,45 Millionen
eingeplant.

Weil durch Umsiedlungen das soziale Gefüge der Überlebenden zerbrochen
sei, müsse mehr Augenmerk auf Selbstorganisation gelegt werden. Wichtig
sei auch, die Bewohner im Hinterland nicht zu vergessen, so Müller.
Müllers Kritik bezieht sich auf die Not leidenden
Bürgerkriegsflüchtlinge in Aceh, deren Benachteiligung gegenüber den
Tsunamiopfern zu Spannungen geführt hatte. Erst spät haben sich die
Helfer den tausenden Kriegsvertriebenen zugewandt.

In Sri Lanka ging der Bürgerkrieg dieses Jahr in eine neue blutige
Runde. Im umkämpften Norden und Osten stockt der Wiederaufbau, weil
viele Organisationen ihre Mitarbeiter abgezogen haben. Die Zahl der
Hilfsbedürftigen wächst während der neuen Kämpfe, die in diesem Jahr
über 3.000 Menschenleben forderten, drastisch. Angesichts zehntausender
zwischen den Fronten eingeschlossener Zivilisten drohe eine humanitäre
Katastrophe, warnen Hilfsorganisationen.

Um politischen Druck auf die Konfliktparteien auszuüben, hat das BMZ
kürzlich die Zusage von 25 Millionen Euro Wiederaufbauhilfe für Sri
Lanka gestoppt und einen Teil des Geldes nach Aceh umgeleitet.
Ministerin Wieczorek-Zeul räumte ein, dass das zwar für die
Tsunami-Opfer in Sri-Lanka "eine Katastrophe" sei, man aber wegen des
mangelnden Zugangs für Helfer in die Konfliktgebiete keine Alternative
sehe.“ ANETT KELLER (Quelle: Watch Indonesia)
--

Keine Kommentare: