Dienstag, 30. Januar 2007

parallel world


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dank guter freundinnen den hund für die langen arbeitsstunden mit viereckigen augen im mitte-tower am checkpoint charlie mit bravour absolviert. dank einer almostfreundin am fotowettbewerb teilgenommen. mal schauen, ob der mann in aceh wieder seinen anwalt auf mich hetzt...danke fürs sponsoring, mrs n.
und nun: lauter lebensattitüden, die mir auf die füße zu fallen scheinen, wahnwitzige träume, lyrische absagen und persönliche fehlschläge, die man auch als kommunikationswebfehler benennen kann. aussichten auf fotosessions mit wirklichen freundinnen, hörspielkadaver und therapieleichen. so what...am ende bleiben eindrücke im geist. und es gibt weniger schiffpiefkes als außerordentlich freundliche, mitfühlende nachbarn...und ja, mrs hamburg, du hast recht, es geht ums zurücklehnen und loslassen. these are the private messages of 2day

Freitag, 26. Januar 2007

mephistos dance



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Geschichten: Gestern noch im Hamburger Bahnhof zur VernissageNacht und dem RAUB DER SABINERINNEN, der im Original ja viel treffender: THE RAPE OF THE SABINE WOMEN heißt.
Heute dann: Mit einer Freundin zum BSR-Container gefahren, weil sie ein Netzteil für ihren Computer braucht. BSR ist so ein Müllhaldensortierladen, die Schrott annehmen und hauptsächlich aufpassen, dass niemand den Schrott stiehlt und weiter verwertet. Also fahren wir, ganz auf Mädchen machend auf dem verschneiten Hof vor. Die Jungs in Orange und Feierabendlaune stehen frierend, aber nicht weiterhelfen könnend, vorm heruntergekurbelten Autofenster und verneinen: Wir könnten nicht einfach da reingehen in die Container und die alten Computer da rausschleppen. Schade. Augenaufschlag. Einer der Jungs hat Herz und weist uns darauf hin, wo die Kameras sind und wenn wir uns nicht erwischen lassen...
Der Wink mit dem Katzenpfötchen. Also schrauben wir im Kaltdunkel die ollen DOSRechner auf, hoffend, es möge ein 300 Watt-Netzteil mit all den erforderlichen Daten dabei sein. Kein Glück.
Oder doch, denn da steht so ein unbeholfen freundlicher Typ vor uns: Ob wir einen Computer suchten, er hätte noch einen im Keller. Und überhaupt, das Gespräch ergibt: Er zieht nächste Woche um, das Ding ist er über Anzeigen nicht losgeworden. Wir nehmen ihn, also den Mann – ungeachtet des lautstarken Hundeprotestes mit – und siehe da: Bepackt mit einem OldieComputer, einem Drucker, einem fetten und wahrscheinlich unbrauchbaren Monitor bepackt sowie einem netten Gespräch über Lyrik, Kunst, Fotografie fahren wir los. Was ist zu tun?

In dem geschenkten Maul sind für uns nur unbrauchbare Zähne scheint es, und wir haben noch nicht einmal ins technokratische Maul geschaut. Aber da gibt es diese Idee, wir gehen zum nächstbesten TürkenAraberWasauchimmerGeschäftstüchtigen Neuberliner und da, schau her: Tauschen wir das benötigte Netzteil gegen die brauchbaren Utensilien aus dem Geschenk. Feilschen überflüssig.
Dummerweise hat die Freundin ihre Tasche bei dem Dichter und edlen Spender vergessen, also wieder im schneelichternen Berlin zurück, den Weg erahnend. Über die Redaktion dann tatsächlich rausgefunden, wohin es uns kurz vorher überhaupt verschlagen hatte. Und überhaupt: Ein solches Chaos, liebenswert.
So etwas glaubt einem doch niemand. Jetzt läuft der Computer wieder, der Hund schläft erschöpft. Ich kann endlich die Vorbereitungen für den Wochenendjob treffen und am Ausstellungskonzept weitertüfteln...viel gewonnen.


The Wolf in Tempelhof
Photographic still from “The Rape of the Sabine Women”, 2005 Eve Sussman & The Rufus Corporation
Photo by: Benedikt Partenheimer

Montag, 22. Januar 2007

Paranormale Tonbandstimmen, Lauries Voice


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Good evening. This is your Captain. We are about to attempt a crash landing. Please extinuish all cigarettes. Place your tray tables in their upright, locked position. Your Captain says: Put your head on your knees. Your Captain says: Put your head on your hands. Captain says: Put your hands on your head. Put your hands on your hips. Heh heh. This is your Captain-and we are going down. We are all going down, together. And I said: Uh oh. This is gonna be some day. Standby. This is the time. And this is the record of the time. This is the time. And this is the record of the time. Uh-this is your Captain again. You know, I've got a funny feeling I've seen this all before. Why? Cause I'm a caveman. Why? Cause I've got eyes in the back of my head. Why? It's the heat. Standby. This is the time. And this is the record of the time. This is the time. And this is the record of the time. Put your hands over your eyes. Jump out of the plane. There is no pilot. You are not alone. Standby. This is the time. And this is the
record of the time. This is the time. And this is the record of the time. "


Laurie Anderson (entnommen von:musicsongslyrics.com)

Pankower Nachtstücke:
Sträflich vernachlässigtes Blogg, dem real life zuliebe. Prioritäten neu setzen. Nachrichten verfolgen: Wo packt man all die Informationen hin? Freunde treffen, Menschen begegnen. Ausstellungen sehen, unverhofft in Galerien stranden und am Hamburger Bahnhof plötzlich in der mediterranen Tiefkühltruhe landen.

Sonntag, 21. Januar 2007

bishonen


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Von den Kanälen herauf hörten wir das Wasser rauschen. Leslies fahrige Hände irritierten mich, und irgendwie ich kam mir vor, als probte ich für eine Rolle am Set. Vor allem aber vermutete ich Leslies Mund in Augenhöhe. Sie lachte lauthals. Ich mochte das, und unterdes sah ich die braunen Gefälligkeiten ihrer Augen. Sie spiegelten mich, erhoben keinen Anspruch auf Feedback, und wollten auch sonst nichts. Leslie zupfte an meinen Wimpern, wozu sie ihre Lippen nahm, und sagte, meine Aura hätte mehr Farben als „The Million Dollar Hotel„, you know, the movie from Wim Wenders. Seit sie mich zum ersten Mal geküsst hatte, war sie es, die Regieanweisungen gab. Genau so gut hätte sie einer Alligatorfarm als Direktorin vorstehen können, ich wäre zu allem bereit gewesen. Vor allem hatte ich ein Problem, so kurz vor dem großen Knall meinte ich plötzlich, mit allen Klartext reden zu müssen. Pah. Und es schien, als wäre bei allen dauerbesetzt. „Das war schon immer eine Schwäche von dir!„ höre ich dich spötteln. Und ich weiß, du hast Recht, ich stehe vor jeder neuen unnahbaren Frau als hätte jemand mich ausgesperrt. Dann gibt es da Tage, an denen ich dir zustimme, wir haben beide diesen Geruch von Levkojen in der Nase, es ist ein strenger Duft. So einer der mich sehr zurückgezogen sein lässt. So wie an diesen Sonntagen, an denen es morgens so langweilig ist, dass man ein paar Schritte von der Balkontür entfernt steht und nicht weiß, worauf man wartet. Romantiker atmen immer ein wenig tiefer ein und sehen dabei brav aus. Wenn ich so pathetisch wurde, ließ Leslie mich selten ausreden. Aber sie machte das wett mit ihrem aufgelösten Haar, dem halb geöffneten, gesteiften Hemd und der Tatsache, dass ich ihre linke Brust sehen konnte.

Verrückt: Mit Leslie fühlte ich mich, als risse mir jemand den Fahrradhelm vom Kopf, noch bevor ich überhaupt gestürzt war. Sie war wie jemand, der das Lebenselixier per Kanüle injizierte, und zwar ohne ihr Opfer zu fragen. Nach dem ersten Schock konnte ich ihre Gegenwart genießen.

Ein leichtes Befremdetsein blieb dennoch. Sie bereitet mir irgendwie Bauchschmerzen. Verwirrung ist schwer zu ertragen, besonders, wenn die Gefühle etwas mit den erotischen Spannungen zu tun haben. Und noch wusste ich keineswegs, woran ich mit ihr war. Später, wenn ich wider aller Vernunft zurück in Deutschland wäre, könnte ich Leslie einen Brief schreiben. Vielleicht könnte ich ihr etwas erklären von dem, was ich über sie dachte. Dass ich dabei englisch schreiben müsste, würde das kleinste Hindernis sein. Früher hatte ich im Hotel die Pornokanäle schnell genug gewechselt, so dass die Zahlsperre immer genügend Penis freigab und ich das befriedigende Gefühl hatte, etwas gesehen zu haben. Ohne dafür zahlen zu müssen...

Leslie trieb meine Verwirrung auf die Spitze, indem sie lächelte. Was immer sie mir beibringen wollte, ich sträubte ich mich dagegen. Vielleicht, weil sie so siegessicher war. Vielleicht, weil ich sie so sexy fand. Vielleicht stocherte ich deshalb so ziellos und desorientiert mit meiner Zunge in meinem schmerzenden Zahn und meinen Gefühlen herum wie ein Wünschelrutengänger. Ich kannte ein paar Tanzschritte, aber ich hatte überhaupt kein Rhythmusgefühl. Eine Nanosekunde dachte ich, all das war ein Fehler. Ich hätte in Hamburg bleiben und früh ins Bett gehen sollen. Es gibt Frauen, die luden einen zum Kaffee, und es gab Leslie. Sie schäumte Milch mit einem Quirl und servierte Cappuccino. Joe dozierte auf dem Flur, sie schwang den Zeigefinger. Thomas lachte befangen. Leslie ging zu einem wacklig aussehenden Schrank und schwenkte einen Bügel, an dem ein dunkelblauer Nadelstreifenanzug hing. Sie lächelte, wissend und irgendwie bevormundend: „This is for you!„ Als würde sie Karten verteilen.

„Ach hör doch auf„, hörte ich Joe lallen. Leslie schaute fragend. Ob sie je in einem Dorfsupermarkt was geklaut hat? Oder mit einem der Cheerleader im Mädchenumkleideraum Sex gehabt hatte? Keiner von uns hatte Lust, wieder hinaus zu gehen. Raus in das Gewimmel auf dem Markusplatz, raus zu den Menschen, denen das Millennium gerade jetzt wichtig sein würde. Manchmal dachte ich, der Gedanke an den Sex mit Außerirdischen hätte etwas mit meiner Weltuntergangsstimmung zu tun. Deshalb wunderte es mich nicht, als ich in Leslie plötzlich die Gestalt eines Engels zu erkennen glaubte. Das Schicksal und die Unschuld waren meine beiden Worte des Jahrhunderts, danach fragten die Institute nie. Die Portiersfrau kam angerauscht, zerdrückte Hochfrisur, furchterregendes Lachen. Unablässig sprudelte sie Italienisches auf uns herab, dabei war sie höchstens einsachtundsechzig. Joe starrte sie an. „Sie sagt, wir sollen losgehen, bevor wir das Beste verpassen!„ übersetzte sie schlafwandlerissch. Wir gehorchten tatsächlich. Eine Stunde später, als der Schock ein wenig abgeklungen war, konnten wir beobachten, wie zwei Sanitäter sich verzweifelt kämpfend den Weg durch die Masse bahnten. Hinter ihnen eine schrie eine Frau, sie fuchtelte mit den Armen, und wirbelte eine leere Flasche Champagner wie ei n Kriegsbeil. Die Umstehenden duckten sich. Joe witzelte mit den beiden Schwulen hinter uns: „Soll sie doch froh sein, dass sie ihn los ist„, weihte uns Joe lachend in die Unterhaltung ein. Das seltsame Gespann zog schubsend und drängelnd an uns vorüber. Und dann begannen sie auf dem Kanal mit dem Feuerwerk. Atemberaubend!

Die Menge verstummte, als sei jemand mit einer riesigen Peitsche dazwischengefahren. Rot, Grün, Blau, alle nur vorstellbaren Kombinationen aus Lichtsträußen, Fontänen und Herzen machten uns zu Kindern. Ah und Oh raunten die Kehlen und ab und an spiegelten Flaschen, die an Lippen gehoben wurden, die Reflexe des Himmels. Für einen Moment glitten meine Gedanken um den Erdball, ich dachte an all die Verrückten, die in Jets hin- und herdüsten, das Millennium mehrmals begießen zu können, an die Menschen, denen unser Jahreswechsel gar nichts bedeutete, weil sie nach anderen Kalendern lebten, an dich, wo immer du gewesen sein magst, an Tara, ja, an Tara dachte ich auch. Leider.

Denn plötzlich stand sie vor mir. Junges Licht. Oder wie soll ich das nennen, wenn ich glauben muss, dass alles um uns leuchtet?

Ich hätte gern gelassen reagiert, aber nach sechs Jahren, in denen ich sie weder gesehen und auch nur einmal am Telefon hatte sprechen hören, war das ausgeschlossen. Mein linkes Bein begann zu schlottern. Auch für jemanden wie mich, die ich inbrünstig an Reinkarnation, Kraft durch Gedanken und dergleichen glaubte, war das kein Moment, der aus mir eine routinierte Expertin machte, die nur einen Beweis für ihre Theorien gefunden hatte.

Tara, wie immer, vom Nacken bis zur Hälfte des Kopfes kurzrasiert, darüber blond und streng zurückgegeelt, sie konnte nicht anders, als mich anzugrinsen. Leslie wandte sich ab. Strafte mich mit Ignoranz, offenbar hatte ich mit meiner Reaktion auf Tara ein Tabu gebrochen. Leslie und ich hatten noch keine Gelegenheit, über Liebhaberinnen, One-Night-Stands oder gar über Tara zu sprechen. Was hätte ich ihr erklären können?

Thomas bot uns an, nachzugießen. Wir prosteten uns zu. Thomas sah mich beim Einschenken ragend, zweifelnd und irgendwie amüsiert an, während er Joe hielt, die Mühe hatte, ihren Champagner nicht aufs Pflaster zu kippen. Leslie schaute demonstrativ in den Himmel. Mir wurde flau im Magen, sosehr sehnte ich mich danach, Tara möge die Konventionen und die vergangenen sechs Jahre in den Kanal werfen. Konnte die mich nicht küssen, ich wusste doch ohnehin, wie ihre Lippen schmeckten. Ich hätte schwören können, dass sie nach weißer Schokolade schmecken und mich beißen würde. Noch sehnlicher wünschte ich mir, mit ihr erwischt zu werden. Mittendrin. Von Leslie. Gott, bist du grausam. Ja, ich weiß, manche naschen nachts heimlich Milkyway, ich träumte. Und trank mehr Champagner.

In meinem letzten Jahr in Bremen kam Tara ins Gerede. Was man sich über sie erzählte, war nicht wirklich neu - abgedroschener Lesbentratsch, aber das Geschwätz war vermischt mit etwas Unvorhersagbarem, Interessantem, etwas, das mir rote Ohren machte. Die eigentliche Attraktion aber war, dass Tara all das für sich ausgenutzt hatte. Sie liebte Tratsch, vor allem, wenn es um sie ging. Egal, welcher Art die dazugehörigen Kommentare waren.

Sie verblüffte mich. Trank ihr Glas leer und sagte, sie müsse weiter.

Perfektionistin, die sie war, gab Tara mir die Hand und zog mich heran. Der Kuss schmeckte nach Schnecken. Danach wählte sie ihre Geschwindigkeit.

Die Jahre, mein Leben und der Rest gingen dahin, ich wurde abgeklärter aber vor allem hörte ich auf, mich zu bemitleiden. Ich schaute mich um.

Definitiv war Tara nicht da. In den wenigen Jahren, seitdem wir gar nicht sprachen, waren sexy, aber jüdisch. Sie waren irgendwie unwirklich.

Tara aber reagierte allergisch, sowohl auf mich, als auch auf meine Vermutungen. Macht es dich nie kaputt, wenn jemand dich anruft und Spielchen mit dir spielt? Es tut weh, weil es nicht das erste Mal war.

Wenn nachts diese Filme liefen, auf arte, dann war ich immer auf Seiten der Verliebten. Nachdem Tara sich das dritte Mal von mir getrennt hatte, bemerkte ich plötzlich ein gewisses Verständnis für die Ehepartner, die Verlassenen, Betrogenen. Die treuen Seelen eben. Wie die zu Hause saßen, litten und jede Verabredung unter fadenscheinigen Vorwänden platzen ließen.

In den ersten zwei Monaten, nachdem ich Tara getroffen hatte, war ich hypnotisiert von dem gespenstischen Zusammentreffen. Gwenyfar, die treue Gefährtin von König Artus, träumte. Jemand wollte sie warnen. „Wenn du noch so stark bist„, sagte die Stimme „Tara wird stärker sein„. So genau, wie Träume sein können, wusste ich, ich war die Frau von Arthurs. Aber wer war Tara? Wir müssen Kinder sein, damit wir wissen, wie es ist, ein Kind zu sein. Und ich musste von Tara träumen, damit ich vorbereitet war, wenn ich sie wiedertraf. Wenn ich nicht mehr die Frau eines Königs und sie mir ebenbürtig war.

Tara erkannte mich wieder, aber es erschien mir irgendwie halbherzig. Und ich gestehe, dass ich leicht eingeschnappt war. „Du bist schön.„ So, wie sie das sagte, hätte ich zweifeln sollen. An ihren Beweggründen, an der Art unserer Begegnung.

Eines Tages meinte Tara, an ihrer Aussprache arbeiten zu müssen, sie sagte „schleifen„, vor allem an den Vokalen. Kein Vorstadtslang mehr.

Immerhin trug sie weiterhin ausgefranste Hemdkragen. Zu heiß gebügelt oder zu oft gewaschen.

In Gedanken wiederholte ich mehrmals, dass sie mich gefragt hatte, ob wir nachher noch einmal tanzen würden. Jajaja. Natürlich.

Wir waren auf der Jagd, und es in dieser Nacht war es besonders dunkel.

Oder wie erklärt man besondere Umstände, wenn man sieht, wie etwas geschieht, das nicht verhindern kann und absolut nicht weiß, weshalb nicht?

Beim ersten Mal holte sie mich nah heran, nur, um mich beim zweiten Mal schroff abzuweisen. Ein lang gehegter Wunsch ging endlich in Erfüllung aber meiner Erfahrung nach, war es für uns zu spät, wir hatten den Genuss mit einem unserer unzähligen Abschiede in den Rinnstein gekippt.

Das Feuerwerk gab genug her, um mir einen fahlen Eindruck ihrer Haut zu vermitteln. Tara tupfte über ihre Lider, das ergab einen hübschen Effekt. Ich verwinkelte meine Arme vor der Brust, betrachtete sie und riskierte einen kleinen Gedanken, der es wagte, meine Hand auf ihre Hüfte zu pressen.

Alles, woran ich mich erinnerte, waren Küsse, Berührungen, zerrissene Klamotten. Und, wie wir uns die ganze Nacht gehalten hatten. Was konnte ich tun, zumal ich eine schlechte Lügnerin bin. Draußen war es kalt und schon fast hell, wir wussten nicht, wie weit es bis zum Hotel sein würde.

Deshalb einigten wir uns auf die Lottovariante. Joe würde, weil sie am meisten betrunken und am wenigstens kontrolliert war, sie würde das Los ziehen. Thomas faltete drei Zettel, und ich ersparte ihm mein spöttisches „akribisch„. Hätte es ohnehin nur gesagt, weil Tara mich dermaßen durcheinander gebracht hatte. Leslie rauchte. Und schwieg. Verständlicherweise.

Im Urlaub kommt es nicht darauf an, wie die Nacht endet, es ist einzig und allein wichtig, wie sie begann. „Ahmm, yes„, hatte Leslie mich wissen lassen. Natürlich, sie würde mehr als nur meine Küsse erwidern. Wie kam ich dazu, Sachen zu sagen wie: „I would comfort you„? Lag es daran, dass sie missverstünde, was ich sonst noch zu sagen hätte?

Schlafen kann man überall. Zur Not auch auf dem Schaufenstersims eines Lederwarengeschäfts. Aber, obwohl ich todmüde war, Leslie wollte ihre Augen noch nicht mal beim Küssen ihre Augen schließen. Schon gar nicht, seitdem Tara mit einem Augenzwinkern gegangen war.

Die Kopfkissen in den venezianischen Hotels sind fast immer zu dünn, die Decke nicht ernst zu nehmen, und wir hätten auch nicht gewusst, in welchem Rhythmus wir uns umzudrehen hatten. Ob Tara sich auch daran erinnerte, dass wir uns dreieinhalb Monate lang jede Nacht im gleichen Rhythmus umgedreht und wieder umarmt hatten.

Ein Hotel ist nur gut, wenn man es auch tagsüber nicht verlassen mag. Wir mieden unser Nachtquartier. Und Leslie nahm mir das übel. Heute kann ich ihre Wut verstehen. Damals hatte ich nur ein arrogantes Schulterzucken für sie übrig. Doch improvisieren wir mal, spaßeshalber. Was macht den Charme aus einer guten Beziehung aus? Rette ich Leslie mit Geständnissen vor den Tagen und Nächten, in denen sie sich an meine Sätze, den Tonfall erinnern und mich dafür verfluchen wird? Unsere Verbindung begann mit der Flüchtigkeit eines Blicks, sie wird auch so enden.

Unten piepste die Kaffeemaschine. Ich wünschte, jetzt sofort ein frisches Hemd aus dem Schrank nehmen zu können, aber in dieser Nacht bin ich irgendwie uferlos, wie alle und alles um mich herum. Die Gegenwart und ihre Zustände sind mir weniger klar als die Erinnerung an meine Jugend, die doch schon Jahre zurückliegt. Ein Phänomen, das einem keiner recht erklären kann. Was solls.

Die Nacht schnappte mit kaltem Atem nach uns, ich ballte meine Fäuste, um die abgestorbenen Finger wieder zu beleben. Joe versuchte, ihre Zigarre anzuzünden. Ihre dritte. Nichts war von der Feierlichkeit geblieben. So etwas hatte ich schon so oft erlebt. „Something, something is the key....„ Ich sang Leslie behutsam ins Ohr, aber sie drehte sich abrupt weg. Obwohl sie leicht hysterisch wurde, weil das Feuerzeug nicht gleich brennen wollte, stellte Thomas sich schützend neben Joe und hielt ihre zitternden Hände still. Ich hätte meinen Neid nicht leugnen können.

"Zeit kann einem Angst einflößen, besonders, wenn man versucht, etwas festzuhalten, das man nicht halten kann." Das hatte Thomas mir nachmittags aus einem Interview mit Nastassja Kinski vorgelesen. Weil es ihn beeindruckt hatte. Ich fand, das einzig Interessante daran war die Tatsache, dass Kinski seit 20 Jahren als Kindfrau gehandelt wurde, selbst nach ihrem 40. Geburtstag. Thomas vermutete Angst vor dem Altern. Ich widersprach nicht.

ZURÜCK ZU ZWEI

Trotz unserer windigen finanziellen Verhältnisse wäre es meiner Freundin Joe niemals zuzumuten gewesen, in ein normales Vaporetto zu steigen wie eine normale Touristin. Ohne Diskussion willigte ich ein, eine Gondel zu nehmen und protestierte erst, als wir, statt im Azienda di Promozione Turistica nach einer Unterkunft zu fragen, hielten, um ausgerechnet am Ca' Dario, dem windschiefen, aber vor allem verfluchten Marmorpalast auszusteigen. Ohne auf meine Proteste einzugehen, erwartete Joe, wenn ich sie nicht bereits nach der Ankunft zu verlieren gedachte, dass ich ihr bedingungslos folgte und so landete ich schließlich mit ihr direkt in einer Abstellkammer der berühmten Holzschnitzerwerkstatt in der Sotoportego Corte Rota. Um meine Verwirrung zu komplettieren, gab der Werkstattbesitzer Paolo Brandolisio uns das Quartier für ein unglaublich günstiges Tagegeld. Joe wickelte die Formalitäten in unserem gemeinsamen Ansinnen ab, ihre Italienischkenntnisse wusste ich ohnehin nicht zu übertreffen und ich legte keinen Wert darauf, ihre Vertraulichkeiten mit den Venezianern zu unterbrechen, die mit Sicherheit finanzielle Vorteile für uns beide nach sich zögen.

An diesem und auch den beiden darauffolgenden Abenden wiegte ich mich in dem Aberwitz, den man vielleicht ehrlichkeitshalber Wahn nennen sollte, dass wir Marcellos besondere Zuneigung und Obhut allein Joes extravaganter kanariengelber Handtasche verdankten. Und in gewisser Weise stimmte das ja auch. Als fliegender Händler mit einem monströsen Bauchladen unterwegs, war Marcello auf Joe zugeschossen, als seien wir die ersten greifbaren Opfer, mit deren Abschuss er endlich den Score seines inneren Spiels in die Höhe treiben konnte.

„Aleph, Beth, Gimmel, Daleth, He, Waw! Ist es, was ich denke, dass was Sie so gedankenlos spazieren tragen?„ Der Taubenfutterverkäufer mit dem Ramschladen am Bauch sprach ein überaus präzise artikuliertes Deutsch, die militärisch tonierten Fremdbegriffe ausgenommen, und zwar bar jeden Akzents. Als er mit seinem fetten, beringten Daumen auf Joes Handtasche deutete und noch einmal aufjaulte: „SAJIIN!„, war mir zum ersten Mal aufgefallen, das, was ich für grell-gefärbte und imitierte Kroko-Maserung gehalten hatte, eine komplizierte, in sich verschlungene Abfolge sich wiederholender und wie ich heute weiß, hebräischer Zeichen darstellte. Gerade, als ich ihr den zudringlichen Kerl vom Hals schaffen und um Hilfe rufen wollte, brach Joe in ein hysterisches Lachen aus und mir fast den Finger, an dem sie mich zurück hielt. Noch mehr verblüffte sie mich, in dem sie mit dem kleinen Finger ihrer freien, der linken Hand eine Art Segensgeste über dem kahlen, rosengeschmückten Schädel des Mannes vollführte. Fassungslos starrte ich auf die unwirkliche Szene.

„Kennst du ihn etwa?„ Eine Zigarette, die sie Marcello aus seinem Bauchladenrepertoire stibitzt hatte, zwischen den Lippen balancierend, antwortete sie schnippisch: „Man muss nicht jeden kennen, um ihn zu erkennen.„ Sie können sich ja denken, auf welcher Silbe die Betonung lag.

„Marcello,„ schaltete der Dicke sich ein, und schien mich beruhigen zu wollen, indem er mir seine fleischige Hand über den Bauchladen hinweg entgegen streckte.

„Zum Teufel, kann mir jemand erklären, was hier gespielt wird?„ Joe hatte mich beschwichtigt, Marcello uns ins „La Strada„ geschleppt. In meinem Caesar-Salad herumstochernd, hatte meine Freundin Joe mir eine Geschichte zugeraunt, die ich anfangs noch als einen ersponnenen Mix aus ihren geliebten „Drei-Fragezeichen-Hörspielen, etwas „Warten auf Godot„ und vielleicht einem Schuss Umberto Eco zu entwirren suchte. Doch gab ich dieses Unterfangen ein paar Stunden später auf, wir waren dank Marcellos Hilfe ziemlich angetrunken und bei Kate Moss gelandet, die auf den Obsession-Anzeigen gar nicht Kate Moss war, sondern Joe. Meine Freundin, gebürtig in Husum und Scheidungskind, wollte mir weismachen, sie habe Kontakte zu einer Art kabbala-orientiertem Rosenkreutzerorden. Ja, mehr noch, sie sei eine der auserwählten Priesterinnen. Geniale Idee, hatte ich gedacht, als ich erfuhr, dass sie in den Obsession-Werbekampagnen ihre Kontaktmitteilungen versteckten. Weltweit, kostenlos. Mal ehrlich, hätten sie ihr nicht auch geglaubt, und sei es auch nur, um der lieben Ordnung Willen? Ich meine, eine begabte, meinetwegen auch etwas spinnerte Freundin zu haben, ist eine Sache, aber mit ihr nach Venedig zu reisen und dank einer etwas grellen Handtasche plötzlich feststellen zu müssen, dass sie mit jemandem unterwegs sind, den Donna Leon sich für ihre langweiligen Venedig-Krimis nur hätte wünschen können, eine andere.

ZWEIDREIVIERTEL

Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit Anne Clark geht, aber auf mich wirkt diese Art Musik hypnotisch als hätte man mich verdammt, die Nacht Auge in Auge mit einer Schlange zu verbringen. Wenn Sie mir bisher folgen konnten, sind wir schon weit gekommen, jetzt heißt es: standhalten. „Love is just a Paradox„ - der Song von Anne Clark war uralt und wirksam wie alle zeitlosen Beschwörungen: „Love is just a Paradox..„. Der einfache Refrain hallte uns lange nach, nachdem ich mich ungläubig an Joe klammernd, der ich trotz allem vertrauen wollte, Marcello die ausgetretenen Marmorstufen hinab in den Weinkeller gefolgt. Sein Vater sei unser Kontaktmann, er arbeitete als Sicherheitsbeamter im Vatikan, deshalb habe er ihn, Marcello nach zwanzig Jahren aus dem französischen Kloster kommen lassen und ihm das „La Strada„ überschrieben. Ich weiß noch, dass mein Geist sich weigerte, dem Ganzen weiterhin zu folgen, zu prüfen, ob irgendetwas noch logisch sein könnte, und dass ich inständig glauben wollte, die Beiden erlaubten sich einen Scherz. Noch inbrünstiger quälte ich mich mit der Frage, welche Konsequenzen mich, da sie mich so bedenkenlos einweihten, erwarteten. Würden sie mich einmauern? Mich durch eine Falltür in einen der Kanäle stürzen? Im Grunde war es zu spät, sich darüber Sorgen zu machen, also trank ich weiter mit ihnen den Wein, von dem ich annahm, dass er ohnehin vergiftet war und mich früher oder später von der Bürde meines plötzlichen Wissens befreite. Je länger wir dort unten auf den modrigen Fässern hockten, umgeben vom Flackern der mannshohen Kerzen, die Marcello hingebungsvoll angezündet und uns dann auf eine verspiegelte Wand aufmerksam gemacht hatte, desto weniger fühlte ich mich jedoch bedroht. Vielleicht, weil Joes Geschichte sich so unwahrscheinlich und nahtlos in das einfügte, was der dicke Venezianer uns dort unten offenbarte.

Vor dem Geschmack steht der Geruch. Vor der Realität die Phantasie. Marcello bat uns, die Schuhe auszuziehen und ihm durch die Spiegeltür zu folgen. Natürlich erwartete ich mindestens eine Folterkammer. Läufer C2 schlägt Bauer B5, hörte ich eine seltsam vertraute Stimme. Bauer C3 schlägt D4. Oh nein, das klang nach Verlusten. Weil es heiß, dunkel und eng war, verzichtete ich darauf, mich unnötig intensiv auf das imaginäre schwarzweiße Brett zu konzentrieren. Zumal ich ohnehin fürchten musste, der Angriff auf den weißen König sei nur inszeniert, mich abzulenken von dem, was mich in Wirklichkeit empfing. Dame auf B7und ich fühlte mich schachmatt. Oder: wenn Ihnen das geläufiger ist, als zwänge jemand mich, in einem Billigkaufhaus Badeanzüge anzuprobieren. Geschockt, weil Joe mich vor einen fünfflügeligen Kabinenspiegel geleitete und mich ebenso wie sich selbst entkleidete, harrte ich verstummt aus. Ich weiß, sie denken, als würden sie einem Film zuschauen, sie an meiner Stelle hätten geschrieen, wären weggelaufen, aber glauben sie mir, man tut nichts von all dem. Man ist hypnotisiert. Sie küsste mich, ganz selbstverständlich, so als sei ich ein eisgekühlter Fremdkörper und als müsste mein Körper von den Schultern abwärts aufgetaut werden. Wissen sie, ich habe früher habe ich Aktmodell gejobbt. Dabei war ich mir vorgekommen wie eine Herrin der Adler, die als Falknerin vertrauensvoll mit allen Greifvögeln umgegangen war. In einer Ruine rekelte ich mich völlig unbekleidet, aber mit zu wenig Sprachen ausgestattet, und nicht besonders schamvoll vor vier bis fünf sehr ernsten Kunstschülern, auf einem klapprigen Sofa, vor dem sie mir einen kleinen Heizlüfter aufgebaut hatten. Wegen der absurden Temperaturen in dem eisigen Kellerloch war ich eher damit beschäftigt, so nah an den rotierenden Heizkörper heranzurücken, nur, um dann im letzten Moment meine, fast schon glühenden Füße oder Unterschenkel zu retten. So ungefähr fühlte ich mich unter Joes Küssen auch, doch blieb ich verdammt regungslos, ja willenlos stehen vor diesem Spiegel, in dem ich mir begegnete wie ein Hautarzt einer Krebspatientin; plötzlich hatte ich den Focus und tastete meine Haut, meinen Körper mit fremden Augen ab. Das Kreuz für die Röntgenstrahlung imaginierte sich in Herzhöhe: ich verstand plötzlich mehr, als ich Ihnen erklären können, Sie wissen schon, so wie man nur in Todesnähe klar sieht, das alles nur aus dem freien Spiel des Geistes entsteht. Und: was niemand hören will, so lange er nicht selbst der Sterblichkeit begegnete. Bewusst. Das ist eigentlich das einzige, was uns voneinander unterscheidet: Bewusstheit.

Und wissen sie was, man läuft in einem solchen Moment nicht weg, weil man Angst hat, das Wichtigste zu verpassen. Und darüber hinaus ist man eigentlich immer auf der Suche nach dem Kreis, dem man angehören möchte, der einen etwas Besonderes sein lässt.

Mittwoch, 17. Januar 2007

Vormerken: Nacht der Kulturen in Hamburg

20. Januar 2007:
Die Nacht der Kulturen

eine Benefizveranstaltung zugunsten des Festival der Kulturen Hamburg
20. Januar 2007, ab 19.30
Delphi-Showpalast, Eimsbütteler Chaussee 5
HVV-Bus 115 Haltestelle Schulterblatt / S/U-Bahn Sternschanze
Eintritt 12,00 Euro, ermäßigt 8,00 Euro
Eintrittskarten an allen Vorverkaufstellen zuzüglich Vorverkaufsgebühr
*Ticket-Hotline: 040 – 30051555
*Online buchen: www.hamburg-tourismus.de

Programm:
*Ab 18.30 Einlass
19.30 - 20.00 Unidos de Hamburgo, Deutsch-Brasilianische Samba-Show
20.15 – 20.30 Mladost, Serbische Folklore
20.30 – 21.10 Jolanta Barcik und Band, Polnisch-Traditioneller Pop
21.30 – 22.00 Maracatu – Der Stern der Elbe, Nordbrasilianischer Karneval
22.15 – 22.50 Can Arkardaslar, vom Orient zum Okzident, Orientalischer
Rock´n Pop
23.00 – 23.15 Awayu – Bolivianische Folklore
23.15 – 24.00 Angelina Akpovo & Yakawumbu, Westafrikanische Bühnenshow
0.20 – 1.00 B.J. Philip and Riddim Base, Reggae and Soca

Danach Tanz der Kulturen mit DJ José Manuel - La Kumbancha Sound
und DJ Alexander – Barrio Populaire Sound

Moderation: Bedo. Oriental Night, Hamburg 1 und Sabine Kulau,
Kulturwelten e.V.
Video: Kristian Baum, Iannis Kase
Außerdem Indonesische Kulinarien und Kunsthandwerk – präsentiert von der
IKAT, Indonesisches-Kultur-Agentur-Team

Dienstag, 16. Januar 2007

break down


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Fortsetzung
„Lasst uns noch zwei Flaschen Champagner kaufen und dein Outfit ein wenig verändern,„ schlug Gior vor, wobei er mit seinem rücksichtslosen Zeigefinger schamlos gegen mein Brustbein stieß. Gerade wollte ich empört seine Hand wegschlagen, als Joe meinen Arm, den sie immer noch untergehakt hielt, fest drückte: „Er hat Recht, heute bist du es, die, da Thomas den Deutschen in Cord mimt, die aus dem Rahmen fällt.„
„Was stimmt denn nicht an meinen Sachen?„ blickte ich ratlos in die Runde. Joe, makellos in Stöckeln, Mantel und dem kleinen Schwarzen, ok, mit ihr würde ich nie mithalten können. Allein die Art, wie sie damenhaft ihre Handtasche um den linken Arm gewickelt trug - keine Chance. Thomas, nun gut, breiter Manchesterstoff in Dunkelgrün und Hellbraun mochte nicht jedermanns Sache sein, aber auch er gab eine gute Figur ab. Dass dem Gondoliere seine Arbeitskleidung als Ausgehgarderobe abgenommen wurde, konnte ich als Nichtvenezianerin nicht kritisieren und Gior war, wahrscheinlich dank eines Arbeitgeberrabatts in tadellos sitzendem Armani-Anzug ebenfalls unerreichbar.
„Habt ihr bei Armani einen Kostümverleih?„ versuchte ich, mich in meine Kapuzenjacke zurückziehend, den kläglichen Versuch einer Erklärung. Denn anders als Thomas brauchte ich meine EC-Karte gar nicht erst in den Automatenschlund zu geben, der würde sie sang- und klanglos schlucken und sperren.
„Such dir was aus, ist eine Geschenke des Hauses.„ Generös verwies Gior auf den schwarzblauen Armani-Frack im Schaufenster, denn das musste man ihm lassen: Er hatte sofort gesehen, dass der Anzug und ich ein glanzvolles Paar abgeben würden.
Keine zehn Minuten später kam ich unter dem Beifall der Umstehenden aus der Kabine und fühlte mich wie neugeboren.
„Hey Guys, noch weniger als eine Stunde.„ Luigis eindringliche Mahnung ließ uns aufhorchen. Gior schloss den Laden ab, nachdem er uns beherzt hinausgelotst hatte. „Rechts,„ gab er die Richtung an und übernahm die Führung.
„Bei euch ihr würdet nehmen eine Taxi, right?„
Dagegen hätte ich nichts einzuwenden, es war trotz wärmenden Mantels so unfassbar kalt, dass ich schlotterte wie vor einem Zahnarztbesuch. Auch Joe schlugen die Kiefer hörbar aufeinander. Gior und der Gondoliere stimmten auf Italienisch, Venezianisch, jedenfalls für mich vollkommen unverständlich, etwas ab. Hektisch, wie mir schien.
„Was reden sie?„ nervte ich Joe, die Mühe hatte, unser schnellen Truppe in den High-Heels über das holperige Kopfsteinpflaster zu folgen.
Sie zog mich zu sich heran: „Nicht so schnell! Irgendwas über Geld, ein Wassertaxi, die Party, keine Ahnung. Die pflegen einen Akzent, das einem schwindlig werden kann...„ Joe hatte mehr als drei Jahre in Mailand gelebt, dass sie etwas nicht verstand, kam selten vor. Grund genug, mir wieder Sorgen zu machen, ich sah Thomas wankende Gestalt neben Giors Kahlkopf, den Gondolieri auf unsern Armani-Verkäufer pausenlos einredend und wusste nicht, ob ich meiner Skepsis vertrauen sollte. Niemand von uns war nüchtern, ich hatte gerade teure Sachen geschenkt oder geklaut bekommen, wer wollte das genau recherchieren? Wir waren drei ahnungslose Deutsche, zum ersten Mal in Venedig, einer Stadt, wo die Kanäle nur so dazu einluden, unliebsame Besucher fürs erste verschwinden zu lassen und wir hatten nicht nur einen heißen Gockel namens Gior, der auf Thomas-ich-bin-doch-aber-Hetero abfuhr, sondern auch einen völlig undurchschaubaren Gondolieri bei uns. Und keiner von uns wusste, wo wir eigentlich waren.
„Man kann das menschliche Gehirn mit einem Schachbrett vergleichen.„ lässt Kerr die Mörder-Hauptperson in seinem grausam-beeindruckenden „Wittgenstein-Projekt„ mitteilen. Und das sein Mörder ein ganz Gewievter ist, der die Topologie des Opferhirns genau kennt, weil er nämlich weiß, dass die Ausgänge des Hinterhirns so großflächig verteilt sind, dass sie niemals mit einem Schuss ganz zerstörbar sind. Schlussendlich beschwert der schreibende Intelligenzbestienbesitzer und Killer sich darüber, dass eines seiner Opfer trotz waltender Vorsicht und Hinrichtung per Genickschuss mehrere Tage im Koma überlebte. Wenn man das Koma Überleben nennen will. Vielleicht sollte jemand wie ich gar keine Krimis oder Thriller mehr lesen. Vielleicht sollte ich weder fernsehen noch lesen, oder wenn schon, dann nur noch Naturberichte, Kindersendungen, Kunstbeiträge. Doch kann irgendwer mir versichern, dass im Genannten nichts Grausames auftaucht? Und selbst wenn, wäre ich dann vor meiner eigenen opferwilligen Phantasie gefeit, die mich in Situationen wie dieser, in welcher Thomas und Joe sich gutgelaunt geben, in der ich mich voller Angst mit Zitaten eines Thriller-Autoren foltere?


Eric Saties Klaviergetröpfel bemüht. Die bei der Eiablage von den Spermien befruchteten Eizellen werden später von den Weibchen in Trauben an geschützten Stellen aufgehängt, und die Nachkommen entwickeln sich ohne die Elterntiere. Auf dem 40. Breitengrad zwischen der koreanischen Halbinsel und dem japanischen Archipel treiben regelmäßig 300 bis 400 Tintenfischkutter, die gewaltige Bordlampen einsetzen. Mein Gott, Gedankenfischer müsste man sein. Ich warf jede Menge Köder in meinem Hirn aus und am Ende stellte ich einfach nur fest, ich rekapitulierte Gelesenes. ich bin nichts andres als eine Vokabelfetischistin, oder, wie Sarah Khane einmal schreib: Wortkleptomanin.
Vögel und das Plätschern der Ruder, aber wenn ich es fertig brächte, sie zu fragen, wäre da noch ein anderer Ton.
Ich mag, wenn die Dinge anders laufen, als es anfangs aussieht. Als sie sich umdrehte und fragte: „How could this be the millennium?„, schüttelte ich den Kopf, und spuckte ins brackige Wasser. Was sollte ich auch sagen? Vor der Reise, auf der Karte hatten die Kanäle ausgesehen wie fächelnde Algen, und es war genau dieser Anblick von Venedigs Stadtplan, der mich sicher werden ließ. Dass alles gut gehen würde. In ein paar Stunden würde es sein, als hätten wir alles nur geträumt: die Computerfehler, die Katastrophen, die Dunkelheit.

Wir standen so hilflos zwischen zwei Augenblicken: Eine Fremde und ich, die ich noch dazu plötzlich an jemand anderen denken musste. Hatte es so kommen müssen? Schicksal? Wieso sonst hat Hollywood solchen Erfolg? Jetzt richteten sie die Neujahrslaser auf den Palast am Markusplatz und wieder einmal wurde mir klar, dass diese Stadt schon länger als tausend Jahre existierte. How could this be?
Sie blieb an einer Brücke stehen, um eine Zigarette zu rauchen, nebenbei begann Leslie zu singen: „Don't„ und sie imitierte Elvis verblüffend. Hypnotisiert lauschte ich, Leslies Stimme übertraf nicht nur ihr Outfit als auch ihre normale Sprechtonlage. Ihre seltsame Entschlossenheit brachte mich aus dem Konzept. Diese Art dazustehen, einen Schmollmund zu ziehen und lange Rauchsäulen auszustoßen. Das Licht, das im Bürogebäude nebenan noch brannte, legte ihr Muster aufs Gesicht. Deshalb küsste ich sie mit geschlossenen Augen, und tat, als erwiese ich ihr damit einen Gefallen. Und sie, als könnte sie es kaum erwarten, herauszufinden, wie ein Mädchen sich anfühlt, antwortete, ihre Zunge unerwartet kräftig und neugierig zwischen Lippen und Zahnreihen.
Ich dachte, irgendwie ist könnte es in einem dieser Strip-Clubs spielen. Da, wo die Rausschmeißer noch Smoking tragen und die Mädchen, weil sie tagsüber im College hocken, abends eine Offenbarung erleben oder möglicherweise eine sind.

Obwohl ihre Küsse berauschend feucht und unnachgiebig waren, dachte an dich und hatte das Wort „Tiefseetauchen„ im Ohr.
Wie es sein würde, eines nachts wieder mit dir an einem Tresen zu hocken, wie würde ich dich dann nennen: Ex, oder Noch-Freundin? Wir wissen doch Bescheid, die Dinge ändern sich...

Die Kirche, zu der Leslie uns führte, stammte aus dem 13. Jahrhundert. Dort standen wir vor diesem Altar aus dem Jahr 1495, aber die Gruft trug Inschriften aus dem 18. Jahrhundert. Weil ich keinen Stift dabei hatte, schrieb ich mit meinem Kayal die Daten von den Tafeln ab. Leslie lächelte. Der Kayal brach ab. O.k., vielleicht hatte sie Recht. Es war zu kalt. Sie kämmte meine Augenbraue mit ihrer Zunge, während ich versuchte, mit dem Rest der Mine zu kritzeln.

Bevor man seine Gedanken vom Dach schubst, sollte man sich an das umwerfende Blau der Geistes erinnern, man sollte innehalten und atmen. Das hört sich nach Sekte und „Om„ an, aber die Farbe von damals ist fast alles wert. Du musst nur die Augen schließen und die Gedanken sich selbst überlassen. Dann taucht sie auf, jene Farbe, als Armstrong und Gagarin, als sie dieses Blau entdeckten, als sie die Nikon ans Bullauge hielten und abdrückten. Ich schrieb wie besessen, dann lächelte Leslie an. „I don`t know. Manchmal ist es nicht fair zu erwachen. Leslie biss sich auf die Unterlippe, deshalb versuchte ich, mir keine Gedanken mehr zu machen. Die ich mit mir trug, waren kompliziert genug.

Es quietschte, filmreif, genau richtig. Jemand schnarchte und hinter der Rezeption röchelte die Portiersfrau. Sie drehte ihren Kopf nach rechts, im Flur, keine fünf Meter entfernt, begann ein blinkender Weihnachtsmann in quietschendem Englisch „Jingle Bells„ zu singen. Geistesgenwärtig, aber verstohlen, steckte ich ihn in meine Daunenjacke. Niemand registrierte, was ich da machte.

Zeit für gute Vorsätze. Leslie zog mich hinter sich her, hatte sie es eilig? Ausgerechnet jetzt, ein paar Minuten vor Zwölf? Überhaupt: Wo waren Joe und Thomas abgeblieben? In meiner Tasche blinkte der Weihnachtsmann.

Normalerweise taste ich nicht nach dem Lichtschalter, aber plötzlich wurde mir etwas klar: Das machte ich nur, weil ich vor einigen Jahren den Komet Hyakutake verpasst hatte, wie er durch die kalifornische Düsternis gleiste. Damals hatte ich den Fernseher angeschaltet. Aber in dem Moment, da ich den Lichtschalter drückte, veränderten sich die Verhältnisse und ich verpasste die Bilder. Hier in Venedig gab es jede Menge Sterne, aber eben keinen Kometen.
Dafür hatten die Bäckereien geöffnet. Leslie hatte zwei Krapfen gekauft, der Bäcker trug sein Nachthemd, er musste vermutlich früh wieder raus. Ich mochte weder Krapfen, noch Männer in Nachthemden. Immer fehlte etwas zur Perfektion. „Don't move„ riet ich Leslie, als ich die Kamera aus meinem Rucksack fischte, aber ich dachte: „Ich erfriere, Himmel noch mal!„ Wir standen unter dem geöffneten Hotelfenster wie unter einem Kummerzelt und hatten nichts anderes im Sinn, als das Licht dieses Moments auf Papier und gepresste Chemikalien zu bannen. Sie hatte das Fenster geöffnet, kaum, dass wir das Hotelzimmer betreten hatten und wippte ihre Hüften als stünde sie in der Karibik. Und ich wette mit dir, sie glaubte, eine gute Tänzerin zu sein. Genau da wurde es auch kompliziert. Für mich. Sie drehte mich um sich, Eros Ramazottis Stimme schnalzte bestimmte Konsonanten. Jemand rief:„ Gesundes Neues Jahr!„ Ihr Turteltauben!„. Wieso küssten sich Thomas und Joe nicht?, dachte ich und wünschte mich fort. „I cant dance!„ stammelte ich. Hilflos, das beschrieb mich am ehesten. Quer in ihren Armen stellte mir vor, wie ich mich in ein paar Stunden anhören würde. Leslie lächelte, bevor sie mich küsste. Das Fensterkreuz wirkte nicht besonders stabil, als ich mich daran festhielt, aber der Sternenhimmel über der sinkenden „Titanic„ konnte nicht beeindruckender sein. Leslies Augen vergrößerten sich, sie holte mich mit dem Blaugrün einer nächtlichen Königin an Bord. Gegen diese Macht war ich nicht gefeit, keineswegs. Klischee, nein, das war nicht der richtige Ausdruck. Karma? Schon besser. Ihre Küsse waren weit mehr als nur die Berührung fremder Lippen. Fargo, klassische Grausamkeit und Schnee. Statt ihr zuzusehen, flüchtete ich in Sprache: Ich versuchte Leslie in brüchigem Englisch klarzumachen, dass Vivaldi in Venedig geboren, aber hier nicht verehrt wurde, hier in Venedig. Scheinbar weigern Venezianer sich, Ruhm ganz oben einzuordnen. Noch einmal geriet ich ins Stocken, als ich den Flaum auf ihren Unterarmen entdeckte. So blond und zaghaft, dass ich unweigerlich an Tara denken musste. Leslie tanzte auf ihr eigenwillige Art, in dieser leidenschaftlichen Geistesgegenwart und sehr blond. Thomas öffnete beiläufig das Fenster.

Sonntag, 14. Januar 2007

berlin, am meer


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"there is a warms in your eyes,/....l. anderson

"ich schaue verzweifelt in eine andere richtung, damit die liebe mich nicht sieht" j. winterson

schwarzer korallenschotter

das klicken einer kamera

ohne vorwarnung, sätze quer ins gehör gelegt

sie werde erwachen

wo nichts, was sie vor dieser nacht bewahrte

wie aus einem drehbuch,

aus jarmuschs feder wirkt

wo - liebte sie - der wünsche fell gegerbt

wie münzen in schalen, kelche, münder gleiten

in licht und diesen jazzsommer getaucht

ein haidenspektakel, aber, zweifelt sie dann doch,

so gottlos und abgehalftert zu erwachen?

magere arme von hinten: schläfst du?

weißt du, manchmal frage ich mehr als das

reliefkarten um mund und augen

beherbergen klans von gästen und geistern

die in riffen stimmtauchen und sich

am aroma verkratzter patina laben.

wie soll ich, fragt sie,

mit den kartographen des morgens

und apokalyptischen traumbespornten

aufwachen? nur, um ganz profan

kaffee, angst und liebe

wie instanthäppchen

mit kleinen plastikschaufeln

aufzuteilen? ist dies mein leben? oder nur geborgt?

sie - mit mit einer kleiderpuppe, einem plastik kaktus

und der akribie eines stechrochens vor dem selbstauslöser,

eingebettet in diesen aufzug, musik, neonlicht.

über den köpfen bettelnder mönche dieser 20.000dollar-lichteinfall

doch unter quasten und ornamenten blecken

doch nur zornbesessene, goldene, erwachende drachen

zweifelnagende zähne. time to skip

die hochhäuser und häfen, das immer gleiche sos

sie hat die leeren flaschen im hotel entsorgt

hoffnungen in einer fünf verschlafene autobusstunden

entfernten hauptstadt versenkt

sich entschlossen, dem leben nurmehr

entgegen zu lungern.

mit kleiner münze, aber im großen stil

mit briefbeschwerern, des herzens gewichten

sich vor dem erwachen zu drücken versucht...


Samstag, 13. Januar 2007

Kruder Dorfmeister


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Von Rebecca Horn im - immer wieder beeindruckenden - Gropiusbau gefangen nehmen lassen. Mit gemischten Gefühlen die Nachrichten und Informationen von heute verfolgt. Mit Louise Bourgeois DESTRUCTION OF THE FATHER am eigenen Kunstverständnis gefeilt. Nicht tanzen gegangen, dafür Pläne geschmiedet, Hufeisen ins Feuer gelegt, das Glück folgt auf dem Hufe...

Fortsetzung

Es ist so verdammt kalt. Wenn selbst der Gargarin-Gedanke nicht mehr hilft, sollte ich zu anderen Mitteln greifen. Also gebe ich es auf, mir einen luftdichten Thermo-Astronautenanzug vorzustellen und schleppe stattdessen meine, nicht selbstgewählten Spießgesellen in einen DIESEL-LEVIS-ARMANI-SHOP. Marcello, Joe und ich bilden ein Gespann, das mich an die Quadriga auf dem Brandenburger Tor denken lässt. Wissen Sie immer, warum Ihnen bestimmte Gedanken in den Sinn schießen? Berlin kommt nicht vor auf den gläsernen Scheiben des Shops, der mit Namen wie Duschanbe und Dyabakir, Taschkent, Brazzaville oder Bejing für die entsprechende Globetrotter-Sphäre sorgt.

„Da caprio„, witzelt der einzig freie Assistent und spreizt seine künstlich verlängerten Wimpern graziös. „Nein, eigentlich nennen mich alle Gior.„ Joe und ich verziehen das Gesicht und uns in die jeweils entgegengesetzten Winkel des Ladens. Während sie von den atemberaubenden Abendkleidern eins nach dem andern in die nahegelegene Kabine schleppt, wühle ich mich durch Regalständer mit geschmackvollen Anzügen und schreibe im Geist sämtliche Bankauszüge neu. Ohne Minuszeichen. Marcello hat sich auf einen der deibeinigen Hocker gesenkt, als meditiere er. Doch Da-caprio-Gior-Armani-wie-auch-immer markiert sein Revier, er sprühte jeweils um den Ex-Benediktiner als auch Joe und mich einen unsichtbaren, dafür aber geruchsintensiven Ring aus einem sechseckigen, schwarzen Flakon. Armani, klar - er fächelte es auf uns alle herab als sei es Gottes Segen.

„Wo feiern wir eigentlich?„ Joe näherte sich mir - nicht gerade dezent - und Gior schmollte, seinen Mund süffisant anhebend. Lesben, auch gut, musste er sich wohl innerlich zurückgepfiffen haben, denn er kassierte meine Einkäufe mit frostiger Miene. Doch kaum hatte Joe sich eine Zigarette von ihm anzünden lassen und erneut ihrem Taschenspiegel gewidmet, fand er zurück zu seinem Charme, den er ihr widmete, als hoffe er auf eine Beförderung. Es war zehn vor Zehn. Jemand klopfte ungeduldig an die Duschanbe, Diyabakir, Taschkent-Scheibe. Eine Einskommafünf-Liter-Flasche Champagner im Arm haltend wie ein Baby, stand dort der Gondolieri. Marcello ließ ein Schnauben vernehmen.

„Was für ein Zufall!„ Joe kreischte erfreut auf, wobei sie echt und doch wie auf Droge klang. Wieso sich so freute, war mir nicht klar. Und niemals würde ich sie mir als Babysitterin vorstellen können, aber sie finanzierte mit eben diesem drei Mal die Woche anfallenden Job ihr Studium.


„Gibst du den Kids eigentlich Valium in die Milch, oder so?„ hatte ich sie spaßeshalber einmal gefragt. „Wenn's sein muss?„ Ihr Tonfall undurchschaubar. Vorsichtshalber hatte ich das Thema nie wieder angeschnitten.

„Luigi!„ Gior schien überrascht vom Auftauchen des Gondoliere.

DREI FREMDE, EINEINHALB PARTIES

Direktorin Düvall hob verstört den ölverschmierten Blitzlichtfisch aus dem geheimnisvollen Päckchen, das der UPS-Mann eben beim Pförtner für sie „persönlich„ abgegeben hatte. Entgeistert las ich den dazugehörigen Brief.

„Sie interessieren sich für Biolumineszens, biologisches Leuchten?„ hieb die erste Frage auf mich ein. Ja und? Dieses Interesse teilte ich mit manch anderem. „Wie Sie wissen, ist der Blitzlichtfisch ein Paradebeispiel für Ihre favorisierte Kategorie. Er trägt, wie Ihnen sicher nicht unbekannt ist, lichterzeugende Bakterien in den Augen, sozusagen als nützliche Schmarotzer. Denn, auch das ist Ihnen klar, diese Parasiten erhakten als Lohn für ihre lichtspendende Tätigkeit Zucker und Sauerstoff aus dem Organismus ihres Wirts.„ Was will denn dieser Biologen-Klugscheißer von mir? Mit dem Brief an sich wäre Düvall locker fertig geworden, sie konnte sich augenblicklich vorstellen, wie sie ihn Karla und auch dieser verstockten Melba vorlas, sie würden in Heiterkeit ausbrechen, keine Frage.

Freitag, 12. Januar 2007

listen to....

"...und ich, der hund hab flügel"



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“alles was gesagt wird wird ständig zurückgenommen, so dasz man immerzu zweifelt was nun wirklich gesagt worden ist, alles was gesagt wird existiert nur im bereich des Möglichen, aber es könnte ebenso gut anders sein, irgendwie hat es etwas mit einem zu tun, aber es zerfällt, löst sich immer wieder auf und nimmt neue bedeutung an, ebenso könnte es weitergehen, und es ist keineswegs ausgeschlossen dasz, nun war es ber nicht ganz so aber ich weisz nicht wie es anders hätte sein sollen, etc.

Peter Weiss (zitiert von F. Mayröcker in „Und ich schüttelte einen Liebling“

Job, Hundeauslaufgebiet entdeckt, Job, nebenher die Hektik von Katharina Francks großartigem ZEITLUPENKINO. Aussicht auf Rebecca Horns Ausstellung, die Probleme mit dem Job ausgeräumt, einfacher als die zwischen und die menschlichen...Francks Texte sind wie subtitles zu Goldins Fotos, überhaupt wie Fotos. Berlin obendrein, in der Doppelbelichtung mit NY, Mexico, Sehnsucht, Stationen.
Und überhaupt, Berlin besitzt über 400 Galerien, Tendenz steigend. Chelsea girls neben Janine Flowers groovende women. Und dann noch, einer Laune folgend wieder das good old radio: Deutschlandfunk, ein gelungenes Feature: “Männer töten, Frauen morden”…

Kaum hatte ich ihn erkannt, kam Marcello auch schon zielstrebig herüber. Drei Gläser Prosecco auf einem Tablett balancierend. Federstiebend flatterten Tauben vor dem Fenster um eine alte Frau, die Krumen im Kreis herumwarf. Joe hob mit einer Geste, in der etwas Bedachtsames, etwas fast Bedrohliches lag, ihr Glas in meine Richtung. Als warnte sie mich. Von einer Sekunde zur anderen auf Liebenswürdigkeit umschaltend, ließ sie Marcello auf Italienisch wissen, wie sehr sich freue, ihn wieder zu treffen. Er ignorierte, dass ich ihm nur ein kühles Kopfnicken zuteil werden ließ und schwafelte drauf los, als hätten wir uns gestern und nicht vor einem Jahr zum letzten Mal gesehen.
Gegenüber hatte jemand "ragazzi" an die Hauswand gesprüht. Marcello, der mit seinem Fassbauch, unter dem eine Gürtelschlaufe wie ein defekter Zapfhahn baumelte, und dem kahlen, Tattoo-verzierten Schädel immer auffällt, egal, wie voll der Laden ist, und das, obwohl er nur einsfünfundsechzig an die Messlatte bringt, hatte, bis sein Vater ihn zum Besitzer des „La Strada„ machte, als Benediktinermönch in einem französischen Kloster gelebt. Manchmal grüßten hereindrängende Gäste ihn, indem sie ihm vertraulich auf die Schulter klopften oder die Hand gegen seine erhobene Handfläche schlugen. Dann unterbrach er sein Gerede für einen Moment. Er habe Ärger mit dem Gondoliere. Ja, genau dem, der dort drüben an seinem Whisky nippte, palaverte er über einen Streit um eine nicht bezahlte forcola. Ich erfuhr, dass es um den hölzernen Aufsatz für das Gondelruder ging. Dieser hölzerne Ruderaufsatz, der steuerbord in den Gondeln steckte, müsse auf den Gondoliere zugeschnitten sein wie ein Maßanzug. Marcello wechselte bei seinen Erklärungen vom Italienischen ins Deutsche, aber Joe, nun wieder ganz Liebenswürdigkeit, übersetzte und spendierte mir sogar einen Prosecco. „Für den Ruderer ist die Holzdolle wertvoll wie eine Frau.„ Marcello machte dem Mädchen hinter der Bar Zeichen, uns noch eine Runde zu bringen, ohne zu unterbrechen. „Damit sie nicht etwa gestohlen werden, nehmen die Gondoliere ihre forcola über Nacht mit sich.„

Der Mann, über den unser Gastgeber sich so erregte, trug ein schwarz-ledernes, wetterfestes Cape, unter dem ein weißes Seidenhemd glänzte. Mit der windschiefen Augenklappe wirkte er düster und irgendwie unecht, so als sei er Schauspieler oder wenigstens Statist. Marcello empörte sich, weil der Gondoliere ihm für seit einer Woche das Geld für die forcola schuldig blieb, das er ihm in der Werkstatt Paolo Brandiosi ausgelegt habe. „Man sagt, er sei einer der Geschicktesten in seiner Zunft, aber wenn Ihr mich fragt, er ist zu phlegmatisch für den Job.„ Joe zündete sich - gelangweilt, wie mir schien - eine Zigarre an. „Il cinese, so nennen manche ihn„, wandte er sich mir zu, „weil das Gerücht geht, er habe einmal, wie heißt das, ähm, Sinesologie studiert„. Zuvorkommend reichte der Dicke meiner Freundin einen Aschenbecher vom Nachbartisch. „Aber,„ warnte Marcello uns, man muss in Venedig nicht immer glauben, was die Kanäle entlanggeflossen kommt.„
Zugegeben, sein sonores Geschwafel beruhigte mich etwas, ich hatte das Unbehagen, ihn wiedergetroffen zu haben, schon fast verwunden, als mein Blick auf den Aschenbecher fiel, in dem Joe gerade noch ihre Zigarette ausgedrückt hatte. Auf dem Boden entdeckte ich einen feinen Laserschriftzug: www.meer-prinzip.de . Fassungslos starrte ich auf die geschwungene Linie, in der ich Joes Handschrift wiedererkannte. Marcello war dem Gondoliere nach draußen gefolgt, ich konnte sehen, wie sie vor dem Fenster stritten, wo die Taubenfrau ihre Vögel auf der Schulter balancierte. Ich leerte mein Glas, ließ den Aschenbecher verstohlen in meine Manteltasche gleiten und zündete mir eine von Joes P&S an. Während ich von einem der anderen Tische einen anderen Ascher angelte, blies ich ihr, da sie sich handtaschenbewehrt zur Toilette durchkämpfte, den Rauch nach. Dass der neue Becher aus Plastik und mit Camelwerbung bedruckt war, minderte mein Entsetzen keineswegs. Im Gegenteil.

Joe hatte mich mit den Tickets überrascht. Am Tag unseres Fluges hatte sie in einem Taxi vor dem Museum gewartet, bis meine Chefin mich aufgeregt hinausbugsiert hatte. Ich war auf dem obersten Treppenabsatz versteinert stehen geblieben, als Düvall, die Direktorin „Überraschung!„ geträllert und mich Joe übergeben hatte, als als sei ich ein Geburtstagsgeschenk. „Wir haben dir frei gegeben, genieß die Reise.„ Ein liebevoller Schubs und ich war schräg auf dem Rücksitz des beigen, englischen Oldtimertaxis gelandet. „Ich hab dir ein paar Sachen eingepackt.„ Beruhigte Joe mich und kaum eine Stunde später saßen wir in der winzigen Maschine nach Düsseldorf. Erst, als Joe den TUI-Pauschalschalter ansteuerte, wurde mir bewusst, dass sie mich ausgetrickst hatte. „Venedig?„ kreischte ich. Eine Dame im Nerz nahm ihren erschrockenen, schleifetragenden Schoßhund auf den Arm.

Mit engelsgleicher Geduld hatte Joe auf mich eingeredet: Gerade eine zweite Venedigreise würde mich von meiner, wie sie es nannte - Paranoia - befreien. Marcello, das hätte sie herausgefunden, habe sich kurz nach unserer überstürzten Abreise vor einem Jahr nach San Francisco abgesetzt. Dort, setzte Joe mir im Flieger bei einem Piccolo, den sie vorsorglich bestellt hatte, auseinander, arbeite er als Maler im Team der Golden-Gate-Bridge. Was wahrlich plausibel klang, denn tatsächlich gab es, soweit ich wusste, einen Trupp Männer in San Francisco, die ihr Leben auf der orangeroten Brücke riskierten, um das Bauwerk vor Rost und Meersalz zu schützen, indem sie es wieder und wieder mit der patentgeschützten Farbe bepinselten. Ich hatte auch den zweiten Hapag-Lloyd-Piccolo getrunken und hätte es doch besser wissen sollen, immer, wenn Joes Geschichten der Realität so nahe kamen, baumelte der Haken, an dem ich mitgehangen würde, dicht über mir. Manche prophezeien, die Ruhe Venedigs wirke provozierend. Jetzt, nach dem Auftauchen Marcellos und dem Schriftzug im Aschenbecher konnte ich nicht mehr damit rechnen, dass diese Behauptung für mich ihre Gültigkeit während unseres Aufenthaltes in der Stadt an mir exerzieren würde.

„Die schreckliche Verwirrung des Guiseppe Verdi„, genau das war es, was Joe und mich vor etwas mehr als einem Jahr zu unserem gemeinsamen Venedigtrip inspiriert hatte. Musik aus Verdis Nabucco und die Hörspielhauptfigur Guiseppe Verdi, anerkannter Opernkomponist, der jedoch mehr und mehr den Zugang zur Realität verliert. Im Nachhinein lässt sich immer leicht behaupten, dass da Warnungen und Zeichen gewesen wären...

Als ich Joe vor mehr als drei Jahren bei der Ausstellungseröffnung im Hamburger Völkerkundemuseum kennen lernte, hatte sie blaue Spitzenhandschuhe und einen Schleier getragen. Widerwillig jemandem zugewandt, den ich, weil er irgendwie räudig aussah, nicht mochte, hatte sie ihn aufgezogen: „Vielleicht lassen sie dich mit den Waschsalonmarken bezahlen?„ Der Typ trug eine speckige Wildlederjacke, sein Gesicht verhangen von verfilzten Rasta-Locken. Sie hatte ein Stakkato Italienisch auf ihn abgefeuert, als er noch versuchte, sich herauszureden. Dann zahlte er zu meinem Erstaunen und ohne weiteres Zögern beide Biere. Joe hatte sich grinsend zu mir umgewandt, ihren linken Handschuh gelüpft und plötzlich, mit ausgebreiteten Armen, lauthals rezitiert: „Wow, after i jumped, it seemed to me, life is perfect, life is the best, full of beautie, magic and television...„. Kopfschüttelnd war Rastaman zu einer der gackernden Blondinen an der gegenüberliegenden Betonwand geflüchtet.

„The Million Dollar Hotel„, wandte ich mich ihr zu: „Jovovich in ihrer besten Rolle.“ Ein wenig schwul hob sie ihren Schleier, zwinkerte mir frivol zu und näselte: „Unglaubliche Farben, oder?„ Man musste Wenders Filme nicht mögen, um deren Farb- und Lichtkompositionen schätzen zu können. Von jenem Abend an verabredeten wir uns gelegentlich. Unser Lieblingsritual begann und endete in der linken Ecke von Joes Sofa. Zwischen Kissen eingerollt, tranken wir Sekt und spätestens, wenn Keanu Reeves die Prophezeiung des Orakels erfüllte: „Welche Vase?„, und sie auch schon herunterwarf, sprachen wir die „Matrix„-Dialoge inbrünstig mit. Da wir darüber hinaus eine Leidenschaft für Hörspiele teilten, schlich Ritual Nummer Zwei in unsere Sonntagabende, ohne, dass wir je darüber gesprochen hatten. „Sexy,„ spöttelte Joe, wenn sie noch vor Acht im Museum aufkreuzte, während ich meine mausgraue Aufsichtsuniform in den Spind hing. Nie schien es ihr etwas auszumachen, wenn sie warten musste. Im Gegenteil, sie zeigte sich auf eine seltsame Art befriedigt, wenn ich ihr gestattete, in dem menschenleeren, weil bereits geschlossenen Ausstellungsbereich herumzustaksen. Sommers wie winters klackerte sie auf ihren, sich nur durch die Farben unterscheidenden Pumps über den Marmorfußboden der Eingangshalle. Ihr Gang erinnerte, wie sie ihre Handtasche gleich einem Schutzschild in der Armbeuge knapp in Brusthöhe trug und jeweils in einem hellen Sommerlatexmantel oder dem schwarzen Winter-Pendant mit Fuchsstola-Besatz umher stolzierte, an eine Marionette. Nicht zuletzt verstärkte sie diesen Eindruck durch die eigenwillige Art, aus ihrem hübschen Mund eine fette Linie zu machen als sei er ein brokatbesetztes Lippensofa.
Innerhalb eines Jahres war es Joe gelungen, sich als wichtigste Person in meinem Leben zu etablieren. Was nicht schwierig war, denn, nüchtern betrachtet, bestand dies vornehmlich aus meinem Museumsjob, meiner Vorliebe für Kinofilme und unserem Philosophiezirkel sowie Fertiggerichten a`la chinesischem Feinfrostgemüse oder paniertem Lachs von ALDI. Darüber hinaus frönte ich nur allzu gern dem dazu passenden Wein. Gäste hatte ich so gut wie nie. Von meiner Museumskollegin Karla Dorn konnte man getrost absehen, auch wenn wir einmal auf dem Rücksitz ihres Ford Fiesta geknutscht hatten. Schuld daran gab ich den zwei Flaschen Wein im Autokino, danach hatte Karla die Schicht gewechselt, so dass wir uns nur noch bei den Philosophierunden begegneten, die dank unserer Chefin Düvall zu „Jules-Verne-Stunden„ verkommen waren. Joe fand meine Trauer um die Affäre mit meiner Kollegin „niedlich„.

Ein einziges Mal hatte ich auch Düvall, die Museumsdirektorin, zu Gast. Ein Arbeitstreffen, denn zwei Monate, bevor ich Joe traf, hatten Frau Direktor, Karla und ich in sechsmonatiger Eigen-Initiative eine Ausstellung mit dem Arbeitstitel „Nautilus-Prinzip„ erdacht. Entstanden war die Idee aus besagtem „Verne-Lesezirkel„ und ja, irgendwie auch aus Rachsucht. Wir hatten es satt gehabt, vom Museumsbeirat immer nur als nettes, weibliches Beiwerk betrachtet und behandelt zu werden.
Düvall, die Philosophie studiert hatte, wollte beweisen, dass sie zu Größerem fähig war. Zu überflügeln stand mit Karlas und meiner Hilfe das, normalerweise vom Museumsbeirat initiierte Repertoire an üblichen Hexen- beziehungsweise Schamanen-Exponaten, Tarot-Übersichten sowie einer Ägyptenausstellung für Blinde, Lokalkolorit, Ost- und Nordsee-Biologie, und einmal im Jahr reichte die Ausschüttung sogar, um eine Kollektion aus dem Stralsunder Meeresmuseum auszuleihen.

Kurz nachdem Karla und Düvall sich nicht nur immer öfter ohne mich trafen und beratschlagten, welche Formen unser Projekt annehmen sollte, sondern auch entdeckten, dass sie jeweils passende sadomasochistische Vorlieben hegten, beschloss ich beleidigt, mich zurückzuziehen. Von ihrer heimlichen Verbindung erfuhr ich per Internet. Eher zufällig kannte ich kannte Beider Codenamen und kombinierte, als ich mich eines nachts gelangweilt in den Chaträumen des SM-Magazins „Schlagzeilen„ herum trieb, dass dort meine beiden Kolleginnen Gefallen aneinander gefunden hatten. Sie flirteten so unverschlüsselt, dass mir beim nächsten „Verne„-Treffen nicht mehr viel aufzudecken blieb, Karla und die Düvall waren heiß aufeinander. Klar war es kindisch, mich von da an nicht mit den mir zugeteilten Themen der Meeresströmungen und Biolumineszenz, sondern stattdessen mit jüdischen Chassidismus, der Zahlenmystik der Kabbala zu beschäftigen. Themen, die mich bereits nach wenigen Wochen so sehr packten, dass ich mir autodidaktisch sogar das hebräische Alphabet beibrachte. Dennoch ging ich weiterhin zu den „Verne„-Treffen, innerlich abgekühlt und durchaus missgestimmt, befriedigte Frau Direktor und Karla mit diversen Zeitungsausschnitten zum geforderten Themenspektrum, ich entlieh „Time-Life„-Bildbände zum Thema „Meer„ und außerdem präsentierte ich am Computer entworfene Logo-Vorschläge. Sie waren leicht zu besänftigen, ja, sie schöpften nicht einmal Verdacht, ich könnte nicht mehr engagiert sein. Vielleicht waren sie auch zu sehr in ihrer bizarren Affäre befangen, von der sie dachten, sie vor mir geheim halten zu können.
Dann lernte ich Joe kennen, was erneut alles veränderte. Es war Joes Vorschlag gewesen, Düvall und Karla, von denen ich schon viele Gemeinheiten hatte einfließen lassen, zu einem unserer „Matrix„-Abende einzuladen. Natürlich kamen meine Kolleginnen auf die „Nautilus" zu sprechen. Ich war noch immer verletzt und fühlte mich zurückgewiesen, aber Joe verwickelte uns im Laufe des Abends alle mit einer Leidenschaftlichkeit in ihr Plädoyer für das Prinzip des vernschen Unterseebootes, das fern der Zivilisation gegen Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Krieg kämpfte, dass ich letzten Endes vergaß, beleidigt zu sein. Noch hielten Karla, Düvall und sogar ich unser Projekt geheim und so weihten wir Joe zwar in unsere Phantasien, Philosophien und Spinnereien, nicht aber in den endgültigen Plan ein, eine Ausstellung zu organisieren, ein.
An jenem Abend stoppten wir tatsächlich das Video, gegenseitig übertrumpften wir uns mit unserem Wissen. Verne habe die „Nautilus„ nach einem Kopffüßer benannt, wusste ich, „weil der seine Schale benutzen kann„, fiel Karla ein, „wie das Boot seine Tauchtanks„. Joe besaß eine unglaubliche Mappe mit Material über Kraken. Beeindruckt steuerte Düvall bei, was sie bei russischen Autoren über die Ungeheuer der Tiefsee gelernt hatte.
Angeheitert, beschwingt und auf jeden Fall in dem Gefühl der Bereicherung verließen Düvall, Karla und ich Joes Haus. Wir verabschiedeten uns erhitzt voneinander, umarmten uns und plötzlich hatte Düvall ihre Idee: www.meer-prinzip , das ist es!„ Sie griff nach Karlas Hand, war zu aufgeregt, noch länger geheimzuhalten, was jetzt sowieso zweitrangig war. Ihre Karriere würde endlich vorangehen. Als habe unser Plan sich mit Fangarmen bewaffnet, betrachteten wir unsere Umwelt von diesem Moment an nur noch unter den Aspekten des „Meer-Prinzips„. Noch am nächsten Morgen hatte der Museumsbeirat Düvall die nötigen Recherche,- und Ausstellungsgelder bewilligt. Obwohl sie irgendwie ziemlich involviert war in unsere Gruppe und Ideen, hatte ich Joe nicht eingeweiht, was den Titel und den Fortgang der Ausstellungsvorbereitungen anging. Seltsamerweise hatte sie auch nie danach gefragt. Soweit ich wusste, waren auch Düvall und Karla nie mehr mit Joe zusammengetroffen. Komisch, all schießt mir, während ich auf ihre Rückkehr von der Toilette warte, durchs Hirn. Déjà-vus. „Sie verändern die Matrix,„ würde ich für diejenigen rezitieren, die den Film kennen und ein bisschen Sinn für Humor hegen. Aber Joe bleibt verschwunden, ihr kann ich meinen Witz nicht erzählen.

Mittwoch, 10. Januar 2007

next step, third stream


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“ Wie gewohnt hatte ihm Bruno, der Barmann, cicheti, Wasser und einen Whisky serviert.
Seit drei Tagen waren wir morgens fast pünktlich um sieben Uhr aufgestanden, ohne vorher Sex zu haben, hinunter zum Canal Grande, der Hauptwasserstraße Venedigs geschlendert und, was für mich fast genauso erdrückend war, wir hatten uns dabei benommen wie banale Touristen. Der Kanal verläuft S-förmig durch die Stadt, er ist zwischen 24 und 70 Meter breit, auf beiden Seiten des fast vier Kilometer messenden Kanals kann man zahlreiche Paläste bewundern. Jedenfalls wenn man über ein ganz gewöhnliches touristisches Interesse verfügt wie über einen ausreichenden Dispositionskredit. Ich war gerade 37 geworden und besaß weder das eine noch das andere.

Der Kanal wird von mehreren Brücken überspannt, von denen die Ende des 16. Jahrhunderts erbaute Rialtobrücke die bekannteste ist. Und genau auf dieser bogenförmigen Toruistenattraktion platzte mir der Kragen - am frühen Morgen.
Ich spuckte, weil mir nichts Besseres einfiel, hinunter in diese lichtverzerrten Spiegelungen, mit denen man es hier ständig zu tun hat. Dein Gesicht glomm verbogen, verzerrt vom Wasser zu mir herauf, es war mir unmöglich, den Blick einfach zur Seite zu wenden. Wo du real sitzen und mir vom Jahrtausendwechsel sprechen würdest. Von unseren nächsten zwei Wochen und deinen nichtvorhandenen Gefühlen für mich.

Als hätte ich den ganzen Tag an nichts anderes als den Jahreswechsel gedacht, behelligte ich unsere verzwickte Schweigsamkeit mit einem Traktat:
„Ein viertel Tag noch bis zum Jahr 2000„.
Ohne dich anzusehen, wusste ich, jedes Wort nervte. Und es war nicht mehr wichtig, ob was ich zu fragen hatte, klug, banal oder in Taubstummensprache gestikuliert war.
„Joe?„ Da war sie wieder, jene verzweifelte Ausflucht in den Anspruch auf Anrede, die mir zum Verhängnis werden würde.
„Wie egal das doch ist.„ Nichts, was dich verraten hätte. Schon gar nicht dein Tonfall.
Direkt vor uns auf dem Markusplatz gaben sich die Touristen gelassen, sie kauften Vogelfutter in 500-Gramm-Tüten und streuten das Zeug auf den Platz, als wäre es Hochzeitskonfetti. Ein ganz normaler Tag.

Ich hatte Rossetti gelesen: „Promise me no promises / So will I not promise you / Keep we both our liberties, / Never false and never true / Let us hold the die uncast, / Free to come as free to go / For I cannot know your past / And of mine what can you know?“Wir hatten Streit, einmal mehr und ohne, dass mir klar war, worum es ging. Kleinigkeiten,was ich auch tat oder sagte, du nahmst es auf wie einen Fehdehandschuh. Dein Paroli spitzzüngig. Eigentlich hatte ich wirklich genug von deinen Launen, aber allein in Hamburg zu feiern, erschien mir noch trostloser. Mir graute vor dem Millennium, auch wenn ich es nicht zugeben wollte.“

Dienstag, 9. Januar 2007

ps. im still not...



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“Morgens holte die Sonne weit aus, nur, um dann doch fast unbemerkt hinter dem Lido zu verschwinden. Was für ein Aufwand.
Lido, die Lagune, begrenzt die Insel Vendig vom Süden her, und ist angeblich als Badestrand beliebt. Jetzt im Dezember zog es niemanden dorthin, stattdessen hockten alle im „La Strada”. Mad und ich waren spät dran. Doch weil das “La Strada” sich durch überdimensionale Fenster von anderen Bars abhob, hatten wir selbst vom Tresen aus die Lagune Lido noch im Blick.
Ich zückte meine Kamera und Mad verzog die Mundwinkel.

Klar, wir hatten Streit. Wie so oft in den vergangenen Wochen. Mads Gründe für diese Reise würde ich nie erfahren. Ich war einmal mehr meiner Naivität zum Opfer gefallen.

Augenblicklich erbot sich jemand, uns zwei Prosecco zu ordern, kaum, dass Mad ihr Zigarettenetui aus ihrem achtlos beiseite gelegtem Kashmirmantel gefischt und sich über den Tresen gebeugt hatte. Wie immer wirkte ihre Stimme. Mad musste eigentlich nur flüstern, das rauchige Timbre und die laszive Mundwinkelmimik genügten, sie bekam immer, was sie kaum geordert hatte. Ohne aufzuschauen, nippte ich an meinem Prosecco, irgendwie dankbar, dass sie mich noch immer in ihren Bestellungen einschloss, als gehöre ich dazu.

Madeleine, und sie würde einen Mord an mir ebenso gelassen wie eine Getränkebestellung in Auftrag geben, wenn sie herausfände, dass ich ihren Namen preisgab. Madeleine hatte den Gondoliere sofort entdeckt. Sie war zusammengezuckt.

Doch alldem ging eine andere Geschichte voraus, wir waren miteinander verankert und nicht umsonst in Hamburg wohnhaft.
Bürokratenslang, ja, ich weiß. Manchmal ist das die einzige Sprache, Mads und mein Leben dingfest zu machen.

Zu diesem Zeitpunkt interssierte niemand sich für meine Geständnisse. Der Gondoliere ließ seinen Grappa spielerisch in den Händen kreisen. Mal ehrlich, wenn Ihnen jemand im samtschwarzen Umhang gegenüber sitzt, denken Sie dann nicht automatisch an einen Raben? Stumm stand er dort, ließ das Glas unablässig kreisen und beobachtete argwöhnisch, ob wir die von ihm bestellten Getränke gebührend genossen.

Madelaine zupfte ihre linke, wie ich sie nannte: mächtige Braue, als ich mein geleertes Proseccoglas quer durch das wäßrige Muster auf dem Tisch schob und sie ansah: “Entschuldige, aber er lehnt an seinem Buchenholz-Ruder als sei es sein Korsett”. Madelaine gewährte mir nur einen kurzen Augenaufschlag und ich wusste, ihrer Meinung nach war eindeutig ich der Krüppel.“

Sonntag, 7. Januar 2007

chill ability



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Fette Beute heute...Frühstück in einer meiner Lieblingsgesellschaften. Schon fast Mitte Januar? Egal, wir zelebrierten noch mal Weihnachtsyramidenstimmung. Mit dem Auto, das ich seit kurzem mein eigen nenne, auf in den Tiergarten. Ausstellungsbesuch: Sybille Bergemann, Fotografien. Kostbare Fotostücke aus der DDR, Afrika, Paris...Plötzlich in dieser Bilderflut gefangen: jeder Raum der Akademie für Künste bebildert...Spaziergang im Tiergarten, Caffee Caramelito im Cafe am Neuen See...und dann gemeinsam den gesamten TATORT und die großartige 3satReportage über Rambazamba durchzuarbeiten...Kochen, Lachen, Sonntag...wer braucht da noch Bukowski und Konsorten?
Foto im original: S. Bergemann