Mittwoch, 10. Januar 2007

next step, third stream


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“ Wie gewohnt hatte ihm Bruno, der Barmann, cicheti, Wasser und einen Whisky serviert.
Seit drei Tagen waren wir morgens fast pünktlich um sieben Uhr aufgestanden, ohne vorher Sex zu haben, hinunter zum Canal Grande, der Hauptwasserstraße Venedigs geschlendert und, was für mich fast genauso erdrückend war, wir hatten uns dabei benommen wie banale Touristen. Der Kanal verläuft S-förmig durch die Stadt, er ist zwischen 24 und 70 Meter breit, auf beiden Seiten des fast vier Kilometer messenden Kanals kann man zahlreiche Paläste bewundern. Jedenfalls wenn man über ein ganz gewöhnliches touristisches Interesse verfügt wie über einen ausreichenden Dispositionskredit. Ich war gerade 37 geworden und besaß weder das eine noch das andere.

Der Kanal wird von mehreren Brücken überspannt, von denen die Ende des 16. Jahrhunderts erbaute Rialtobrücke die bekannteste ist. Und genau auf dieser bogenförmigen Toruistenattraktion platzte mir der Kragen - am frühen Morgen.
Ich spuckte, weil mir nichts Besseres einfiel, hinunter in diese lichtverzerrten Spiegelungen, mit denen man es hier ständig zu tun hat. Dein Gesicht glomm verbogen, verzerrt vom Wasser zu mir herauf, es war mir unmöglich, den Blick einfach zur Seite zu wenden. Wo du real sitzen und mir vom Jahrtausendwechsel sprechen würdest. Von unseren nächsten zwei Wochen und deinen nichtvorhandenen Gefühlen für mich.

Als hätte ich den ganzen Tag an nichts anderes als den Jahreswechsel gedacht, behelligte ich unsere verzwickte Schweigsamkeit mit einem Traktat:
„Ein viertel Tag noch bis zum Jahr 2000„.
Ohne dich anzusehen, wusste ich, jedes Wort nervte. Und es war nicht mehr wichtig, ob was ich zu fragen hatte, klug, banal oder in Taubstummensprache gestikuliert war.
„Joe?„ Da war sie wieder, jene verzweifelte Ausflucht in den Anspruch auf Anrede, die mir zum Verhängnis werden würde.
„Wie egal das doch ist.„ Nichts, was dich verraten hätte. Schon gar nicht dein Tonfall.
Direkt vor uns auf dem Markusplatz gaben sich die Touristen gelassen, sie kauften Vogelfutter in 500-Gramm-Tüten und streuten das Zeug auf den Platz, als wäre es Hochzeitskonfetti. Ein ganz normaler Tag.

Ich hatte Rossetti gelesen: „Promise me no promises / So will I not promise you / Keep we both our liberties, / Never false and never true / Let us hold the die uncast, / Free to come as free to go / For I cannot know your past / And of mine what can you know?“Wir hatten Streit, einmal mehr und ohne, dass mir klar war, worum es ging. Kleinigkeiten,was ich auch tat oder sagte, du nahmst es auf wie einen Fehdehandschuh. Dein Paroli spitzzüngig. Eigentlich hatte ich wirklich genug von deinen Launen, aber allein in Hamburg zu feiern, erschien mir noch trostloser. Mir graute vor dem Millennium, auch wenn ich es nicht zugeben wollte.“

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