Sonntag, 18. Februar 2007

crave

copyright C. Gueldner


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...und nun endlich, nach der lang gesuchten Kane-Aufführung in der Schaubühne von „Gier“ irgendwie doch enttäuscht. Weil das Stück gelesen doch einiges mehr hergibt, obwohl ich den halben Abend dann doch im nachtwährenden Gespräch immer wieder zitierte, rezitierte...und in der – leider nicht mehr herausgegebenen BLAU fand ich dann sehr detailliert beschrieben, einen der Gründe für meine Ent-Täuschung:

„Sarah Kanes Inszenierungen wurden zu Skandalen wegen den expliziten Darstellungen von psychischer und physischer Gewalt. Kritiker warfen ihr vor, sie sei "eine Anstifterin eines ekelerregenden Schlachtfelds". Sarah Kane: "Wer sagt, gewisse Dinge könnten nicht dargestellt werden, sagt, daß man über diese Dinge nicht sprechen kann. Er leugnet ihre Existenz." Und Ingeborg Bachmann äusserte sich zu diesem Thema so: "... der wirkliche Krieg ist nur die Explosion dieses Krieges, der da Friede ist."
Kane wurde mit anderen AutorInnen bekannt, die man als neue Theatergeneration bezeichnet. Mark Ravenhill, Marina Carr, Martin Crimp. Ravenhills Stück "Shoppen und Ficken", ebenfalls ein skandalöser Fall in der Theaterwelt, spielt im Drogen - und Strichermilieu. Die Menschen in diesem Stück erfahren sich nur noch durch Konsum und Drogen. Trotzdem ist auch hier die Sehnsucht nach einer anderen Welt, die Suche nach Liebe, zu spüren, die den Charakteren immer wieder neuen Antrieb gibt, sie immer wieder versuchen läßt, in eine neue Welt aufzubrechen, und dann wieder einsam und gescheitert zurück wirft in den Sumpf der Sucht und der Einsamkeit. Ravenhill: "In meinen Augen sind die Sehnsucht nach Liebe und die Hürde, Geld verdienen zu müssen, per se dramatisch. Und meine Figuren sollen diese Diskrepanz so intensiv wie möglich verkörpern." Marina Carr, eine irische Dramatikerin, sagt: "Beim Schreiben geht es eigentlich mehr um Dinge, die man nicht begreift, als um die, die man versteht." Ihre Personen enden desillusioniert und mit gebrochenen Herzen. Bei Crimp (Attempts on her life/Angriffe auf Anne) geht es um die Brüchigkeit der Identität, um das Thema Authentizität. Wortfetzen. Stimmengewirr, Nachrichten - sprachliche Äußerungen, das ist der Stoff, aus dem der Text entsteht. Wie in Sarah Kanes letztem Stück "Crave" (Gier) gibt es keine Regieanweisungen mehr, keine Angaben zu Personen. Ein einziger Song.

Dabei ist zu bemerken, dass in England Dramatiker und Regisseure oft eine gemeinsame Szene bilden, miteinander befreundet sind und so eine kooperativere Arbeitsweise haben können.
So hat es die deutsche Aufführung von Ostermeier nicht leicht. Ich fand die Aufführung in der Berliner Schaubühne eine akzeptable Möglichkeit, diesen Text zu zeigen und zu sprechen. Dass die Intensität dieses Textes verloren geht, wenn ich mit vielleicht 150 anderen Menschen eng zusammensitze, nicht lese, sondern höre und sehe – dafür kann ein Ostermeier auch nichts. Für mich wurde der Text abgeschwächt durch diese Form des Vorsprechens und bewirkte eine neue Empfindung, für dass was gesagt und ausgedrückt wurde. Die Personen in Kanes Text sind nur noch Zeichen ohne Geschlecht und Identität. Auf der Bühne wurden sie zu Mann oder Frau, die bei Ostermeier (hoffentlich gewollt) eine starke Identität erhielten.“ (BLAU)

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