Freitag, 23. November 2007

Reise Berlin Polen Litauen Teil 1: Unfälle und anderes


19.11.2007 Berlin /

Nach zwei durchwachten Nächten, weil der Hund urplötzlich krank wurde, nachts eine Infektion und tags darauf noch einmal zwei Spritzen brauchte, starteten wir dann doch mit einem etwas flauen Gefühl, aber einem wenigstens wieder fidelen Hund am späten Nachmittag.

Wir wollten wenigstens schon einmal die Hälfte der Strecke gen Litauen schaffen, also r Gegenfahrbahn – nicht in ganz so klarem Schrecken erkennen ließ.

Auf etwa 46 km immerhin zwei Notarztwagen, einen umgekippten Jeep, mindestens sechs Kreuze für Unfalltote, das ist eine Statistik, an die nicht einmal Indien aus meiner Erfahrung herankommt, aber gut, die schicken wahrscheinlich auch nicht unbedingt immer und sofort eine Ambulanz?

Bilder sind hier zu sehen



Gegen ein Uhr nachts gaben wir das Unterfangen auf, die Strecke und Nacht durchzufahren. Im erstbesten Motel waren weder der Hund noch unsere mangelhaften Polnischkenntnisse ein Hindernis, gezahlt, gebucht und todmüde eingeschlafen. Allerdings ein recht kurzes Vergnügen, denn alle 20 min fielen neue Gäste ein, dieses Motel schien ein überraschend dehnbares Zimmerreservoir zur Verfügung stellen zu können und jeder Neuankömmling oder Abreisende wurde von unserem Hund pflichtschuldig gemeldet. Nicht umsonst ist er mir als JackRussel mit unbekanntem Vater verkauft worden. Als JackRussel fürs Guinessbuch der Rekorde taugt er mit seiner halben Herdenschutzhundgröße und einem ebensolchen Charakter allemal.
Sobald er wieder im Besitz seiner Wachhundkräfte war, wurden diese eben für unseren Schutz eingesetzt. So half es auch nichts, die ankommenden Trampeltiere auf den Treppen geflissentlich in den Traum einfügen zu wollen, der Hund verkündete in kurzen Abständen: echte Gefahr!

20.11.2007
Demzufolge saßen wir – ohne Kaffee, denn auch die 24-StundenBar des Motels erlaubte keine Hunde – knappe vier Stunden später wieder im Auto und errechneten eine voraussichtliche Ankunft an der litauischen Grenze großzügige fünf Stunden später.

Weit gefehlt: Zunächst verließ uns auf einer Umleitungsstrecke der moderate Tonfall unseres Wegesouffleurs namens Navigationssystem. Plötzlich bekannte er durch einfaches Verschwinden, dass er zwar Polen im Angebot seines Kartenmaterials habe, aber eigentlich nur die eine große Autobahn gen Warschau. Unsere eigene Europakarte ist eher dürftig, also hieß es, sich von Umleitung zu rappeliger Baustellenstraße, die dennoch unter dem Europanamensschild firmierten, hindurch zu wurschteln, um dann geschlagene 100km Umweg weiter wieder auf den GPS-navigierbaren Straßen gen Poznan und Warszawa sowie Gdansk zu landen.

Und wieder Unfälle, Kreuze, katholische Totenlichter am Straßenrand...Gegen halb fünf nachmittags erneut dichte Nebelschwaden, die mich an eine die einzige Blindenparty meines Lebens erinnerten. Nur hatte ich damals die Sicherheit des Tastenkönnens: Tastet Ihr Euch mal auf einer Europastraße bei Tempo 60 bis 100 voran. Vor euch die Nebel des Grauens und hinter euch die Überholwütigen.
Zu allem Schrecken liegt da plötzlich eine gespenstische Szene vor uns: Wie auf einer Bühne liegt ein Tier, das ich zunächst für ein Pferd halte, Dampf hechelnd auf der Fahrbahn und kann den Kopf nicht ablegen, weil um es herum lauter Scheinwerfer gerichtet sind. Ganz offensichtlich wurde das Tier, das ich erst beim Vorüberfahren als verletzten Elch erkenne, angefahren und nun versuchte irgendwer, den Förster zu erreichen und die nachfolgenden Autos abzubremsen. Die Elchkuh lag dort so hilflos und mit erschrecktem Ausdruck, das ich nichts lieber getan hätte als anzuhalten und ihr wenigstens den Kopf zu stützen, sie zu beruhigen. Aber natürlich wäre das ein gewagtes Unterfangen gewesen, denn mit Elchen kenn ich mich nicht wirklich aus und ob angefahrene Tiere sich von Menschen beruhigen lassen würden, ist auch fraglich.

Schweigend und schockiert fuhren wir weiter, die Elchkuh wurde sicher erschossen. Denn wohin könnte kann man ein Tier dieser Größe transportieren und in welche Tierklinik?

Dann – hinter Marlborok – einem elend tristen Industriegebiet – die Grenze: Endlich. Zwei schläfrige Zöllner werden durch Skys Alarmgebell geweckt, genau wie der Hund sich zum ersten Mal seit Stunden zwischen seinen Taschen- und Deckenhöhlen bemerkbar macht. „Hund“ radebrecht der litauische Beamte freundlich und niemand will den mühselig ausgefüllten EU-Hundepass samt Impfungen sehen.

Dann geht alles ziemlich schnell, wir wähnen uns ins am Ziel unserer Wünsche und in Sicherheit, als uns auf unserer Spur nach und nach Autos entgegenkommen: Erst Pkws nicht ganz so schnell, dann auch LKWs und in einem Tempo der Selbstverständlichkeit. Ich greife zu allen verbleibenden Mitteln: Lichthupe, use the horn (wie man Indien zu sagen pflegt) – das meint, ich hupe, was das Zeug hält und – natürlich weiche ich so weit wie möglich auf den splittrigen Standstreifen aus!

Streit innerhalb unseres Wagens, weil selbstverständlich Panik bei meiner Beifahrerin ausbricht, sie dachte wohl, ich bestünde auf meinem Recht, das mir angesichts dieser helläugigen Supermonster gar nicht wichtig war.
Der erstbeste Abzweig nach Alytos ist also angesichts dieser unfreiwilligen Bedrängnis unserer, egal, wo es eigentlich hingeht. Dann: Nichts als isländisch, oder zumindest nordisch anmutende, vernebelte, gottverlassene Straßen, aber wenigstens kein Gegenverkehr mehr und schon gar nicht auf unserer Fahrbahn. Keine lebendigen oder angefahrnen Elche...

Weitere Berichte folgen aus Alytos, Vilnius, Trakai, Klaipeda und Nida (Kurische Nehrung)


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